Die Lebensfreude
mehr von dir wissen will, weil ich dich ruiniert habe und mir nur noch die Schlechtigkeit übrig bleibt, mir anderswo ein reiches Mädchen zu erheiraten... Nein, alles das ist schmutzig. Niemals, hörst du, niemals!«
Pauline, deren Kräfte zu Ende waren, hörte auf, in ihn zu dringen. Es trat ein Schweigen ein. Lazare war wie gebrochen auf einen Stuhl gesunken, während sie mit langsamen Schritten durch den weiten Raum ging und dabei vor jedem Möbel stehen blieb; von diesen alten, traulichen Dingen, dem Tische, den sie mit ihren Ellbogen abgenutzt hatte, dem Schranke, in dem noch ihr Kinderspielzeug vergraben lag, von all den dort noch umherliegenden Erinnerungen stieg eine Hoffnung in ihr Herz, die sie nicht hören wollte, und deren Süße sie trotzdem langsam in sich aufnahm. Wenn er sie doch wirklich so liebte, um sich einer andern zu versagen! Aber sie kannte die folgenden Tage der Vernachlässigung, die unter der ersten Hitze dieser schönen Gefühle lauerten. Sodann war es feige zu hoffen; sie fürchtete, einer List ihrer Schwäche nachzugeben.
»Du wirst darüber nachdenken«, schloß sie endlich, vor ihm stehen bleibend. »Ich will uns nicht weiter quälen... Gewiß bist du morgen vernünftiger.«
Der folgende Tag verstrich indes in großer Verlegenheit. Eine dumpfe Traurigkeit, eine Art Bitterkeit verdüsterte das Haus von neuem. Luise hatte rote Augen, Lazare floh sie und hatte sich ganze Stunden in seinem Zimmer eingeschlossen. An den folgenden Tagen schwand jedoch diese Verlegenheit nach und nach; das Lachen, das Flüstern, das zärtliche Berühren begann wieder. Pauline wartete, trotz ihrer Vernunft von tollen Hoffnungen erregt. Vor dieser schrecklichen Ungewißheit glaubte sie das Leiden nicht gekannt zu haben. Als sie eines Abends endlich in der Dämmerstunde in die Küche hinabstieg, um ein Licht zu holen, traf sie Lazare und Luise im Flur in einer Umarmung. Das junge Mädchen entfloh lachend, und er, durch das Dunkel ermutigt, ergriff Pauline und drückte ihr zwei laute brüderliche Küsse an die Wangen.
»Ich habe nachgedacht«, flüsterte er. »Du bist die Bessere, die Vernünftigere... Aber ich liebe dich immer, ich liebe dich, wie ich Mama geliebt habe.«
Sie hatte die Kraft zu antworten:
»Es ist also abgemacht, ich bin sehr zufrieden.«
Aus Furcht, ohnmächtig zu werden, wagte sie sich nicht in die Küche, so bleich fühlte sie sich an der Kälte ihres Gesichts. Dort in der Finsternis glaubte sie den Geist aufgeben zu müssen; dem Ersticken nahe, fand sie nicht einmal Tränen. Mein Gott, was hatte sie ihm getan, daß er seine Grausamkeit bis zur Vergrößerung der Wunde trieb? Konnte er nicht sofort an jenem selben Tage, an dem sie alle ihre Kräfte beisammen hatte, ihren Vorschlag annehmen, ohne sie mit eitlen Hoffnungen weich zu stimmen? Jetzt wurde das Opfer doppelt schwer, sie verlor ihn zum zweiten Male und um so schmerzlicher, als sie sich seine Zurückeroberung eingebildet hatte. Mein Gott! Sie hatte Mut, aber es war schlecht, ihr die Aufgabe so entsetzlich schwer zu machen.
Alles wurde schnell geordnet. Veronika stand mit offenem Munde da, sie begriff gar nichts mehr und fand, daß die Dinge nach dem Tode der Frau völlig verkehrt gingen. Diese Lösung aber brachte ganz besonders Chanteau außer Fassung. Er, der sich gewöhnlich um nichts kümmerte und zu jedem Willen der anderen beistimmend mit dem Kopfe nickte, wie eingekapselt in die Selbstsucht der wenigen Ruheminuten, die er dem Schmerze stahl, begann zu weinen, als Pauline selbst ihm dieses neue Abkommen mitteilte. Er schaute sie an, stammelte, Bekenntnisse entschlüpften ihm in abgerissenen Worten; es sei nicht seine Schuld, er habe schon früher sowohl hinsichtlich der Heirat wie des Geldes anders handeln wollen; aber sie wisse wohl, daß er sich zu schlecht gefühlt habe. Da küßte sie ihn und versicherte ihm, daß sie Lazare aus Gründen der Vernunft zur Heirat mit Luise zwinge. Im ersten Augenblick wagte er es nicht zu glauben, er blinzelte mit einem Rest von Traurigkeit mit den Augen und wiederholte nur:
»Wirklich wahr? Wirklich wahr?«
Als er sie lächeln sah, tröstete er sich schnell und wurde plötzlich sogar heiter. Er fühlte sein Herz schließlich erleichtert, denn diese alte Geschichte drückte ihn, ohne daß er davon zu sprechen wagte. Er küßte Luisette auf die Wangen und holte am Abend beim Nachtisch wieder ein dreistes Lied hervor. Beim Schlafengehen jedoch überkam ihn trotzdem eine letzte
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