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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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hatte recht, sie erinnerte sich dieses kurzen Verlangens, dieses heißen Atems, mit dem er sie eingehüllt. Aber wie fern waren die Stunden köstlichen Schauers, und was für eine kalte, brüderliche Freundschaft erwies er ihr jetzt.
    Sie antwortete denn auch mit trauriger Miene:
    »Mein armer Freund, wenn du mich wirklich liebtest, wärest du, anstatt zu streiten, wie du es soeben tust, bereits in meinen Armen, du würdest schluchzen und zu meiner Überzeugung anderes ersinnen.«
    Er erbleichte noch mehr, machte eine unbestimmte Bewegung der Abwehr und sank gleichzeitig auf einen Stuhl nieder.
    »Nein,« fuhr sie fort, »es ist klar, du liebst mich nicht mehr. Was willst du? Wir sind zweifelsohne nicht füreinander geschaffen. Als wir hier zusammen eingeschlossen waren, warst du geradezu gezwungen, an mich zu denken. Später ist dir der Gedanke daran vergangen, die Sache hatte keinen Bestand, weil ich nichts besaß, um dich zu fesseln.«
    Eine letzte Aufwallung von Erbitterung riß ihn fort. Er rückte auf dem Stuhle hin und her und stammelte:
    »Wo hinaus willst du? Ich frage dich, was bedeutet alles das? Ich kehre gemütlich heim, gehe ruhig in mein Zimmer, um mir meine Pantoffel anzuziehen, und da fällst du über mich her und brichst eine überspannte Geschichte vom Zaune. Ich liebe dich nicht mehr, wir sind nicht füreinander geschaffen, wir müssen unsere Heirat aufgeben... Noch einmal, was bedeutet das?«
    »Das bedeutet, daß du eine andere liebst und ich dir den Rat gebe, sie zu heiraten.«
    Einen Augenblick blieb Lazare stumm. Dann suchte er die Sache ins Scherzhafte zu ziehen. Schön, die Auftritte begännen also von neuem, ihre Eifersucht werde wieder alles von unterst zu oberst kehren. Sie könnte ihn nicht einen Tag heiter sehen, sie müsse durchaus eine Leere um ihn herum schaffen. Pauline hörte ihm mit tieftraurigem Gesichte zu, dann legte sie ihm plötzlich ihre zitternden Hände auf die Schultern und ließ ihr Herz in den unfreiwilligen Aufschrei ausbrechen:
    »Kannst du glauben, daß ich dich quälen will? Du verstehst also nicht, daß ich einzig dein Glück will, daß ich alles gern hinnehme, um dir das Vergnügen einer Stunde verschaffen zu können! Nicht wahr, du liebst Luise? Ich sage dir, heirate sie... Ich zähle nicht mehr, ich gebe sie dir.«
    Er sah sie bestürzt an. In dieser nervösen, unausgeglichenen Natur sprangen die Gefühle bei der geringsten Erschütterung in das Gegenteil über. Seine Augenlider zuckten, er brach in ein Schluchzen aus. »Schweige, ich bin ein Elender! Ja, ich verachte mich wegen all dessen, was seit Jahren in diesem Hause vor sich geht... Ich bin dein Schuldner, sage nicht nein! Wir haben dir dein Geld genommen, und ich habe es wie ein Dummkopf verschleudert, und jetzt bin ich so tief gesunken, daß du mir das Almosen meines Wortes schenkst, daß du es mir aus Mitleid wiedergibst wie einem Manne ohne Mut und Ehre.«
    »Lazare, Lazare!« murmelte sie entsetzt.
    Mit wütender Gebärde war er aufgesprungen und ging, sich die Brust mit den Fäusten schlagend, umher.
    »Laß mich; ich möchte mich am liebsten sofort töten. Wenn es nach der Gerechtigkeit ginge... müßte ich nicht dich lieben? Ist es nicht verabscheuungswürdig, diese andere zu begehren, weil sie ohne Zweifel nicht für mich bestimmt, weil sie weniger gut und weniger gesund ist, was weiß ich? Wenn ein Mensch auf solche Dinge verfällt, so hat er eben Schlamm am Grunde seines Wesens. Du siehst, daß ich nichts verhehle, daß ich mich nicht einmal zu entschuldigen suche. Höre, ehe ich dein Opfer annehme, werde ich Luise selbst vor die Tür setzen, und ich möchte nach Amerika gehen, um euch nie wiederzusehen, weder die eine noch die andere.«
    Sie versuchte lange Zeit ihn zu beruhigen und zur Vernunft zu bringen. Konnte er denn das Leben nicht einmal nehmen, wie es war, ohne Übertreibung? Sah er denn nicht, daß sie nach reiflicher Überlegung verständig mit ihm redete? Diese Heirat sei für alle das beste. Wenn sie ihm mit so ruhiger Stimme davon spreche, so geschehe es, weil sie jetzt, weit entfernt darunter zu leiden, die Heirat sogar wünsche. Aber von dem Wunsche hingerissen, ihn zu überzeugen, hatte sie die Ungeschicklichkeit, auf Luisens Vermögen anzuspielen und durchblicken zu lassen, daß Thibaudier am Tage nach der Hochzeit für seinen Schwiegersohn eine Stellung finden werde.
    »Das also ist es,« rief er mit erneuerter Heftigkeit, »verkaufe mich nur. Sage nur gleich, daß ich nichts

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