Die Lebensfreude
Gründe...«
Sie hatte das Bewußtsein, den Boden unter den Füßen zu verlieren, irre zu werden, und begann, von ihrem Freimut hingerissen:
»Lasse mich nur machen. Ich liebe ihn noch genug, um zu wünschen, daß er dein Mann werde, weil ich glaube, daß du ihm zu seinem Glücke fehlst. Mißfällt es dir? Würdest du nicht ebenso handeln?... Laß uns vernünftig miteinander reden. Willst du mit von der Verschwörung sein? Willst du, daß wir uns beide verständigen, um ihn zu zwingen, glücklich zu sein? Selbst wenn er böse würde, wenn er glaubte, mir etwas schuldig zu sein, müßtest du mir helfen, ihn zu überzeugen; denn dich liebt er, deiner bedarf er... Ich flehe dich an, sei meine Helfershelferin, verabreden wir alles, solange wir noch allein sind.«
Luise nahm wahr, wie Pauline bei ihrem Flehen zitterte, wie zerrissen sie sich fühlte, so daß sie sich ein letztes Mal dagegen auflehnte.
»Nein, nein, ich nehme es nicht an... Es wäre abscheulich, was wir da täten. Du liebst ihn noch immer, ich fühle es wohl, und erfindest es nur, um dich noch mehr zu quälen. Anstatt dazu die Hand zu bieten, werde ich ihm alles sagen. Ja, sobald er heimkommt.«
Pauline umfaßte sie von neuem in ihrer Herzensgüte und hinderte sie fortzufahren, indem sie ihren Kopf an deren Brust drückte.
»Schweige, schlimmes Kind!... Es muß sein, denken wir an ihn.«
Ein Schweigen trat ein, sie verharrten in dieser Umarmung. Schon erschöpft, ließ Luise nach und schmiegte sich zärtlich an die Freundin; ein Strom von Tränen war in ihre Augen getreten, aber es waren sanfte Tränen, die langsam herniederflossen. Ohne zu sprechen, drückte sie die Freundin für Augenblicke an sich, als könne sie nichts Zarteres, nichts Innigeres finden, um ihr zu danken. Sie fühlte sie so hoch über sich, so schmerzbewegt und so erhaben, daß sie nicht einmal die Augen zu erheben wagte, um nicht ihrem Blicke zu begegnen. Nach einigen Minuten indessen getraute sie es sich, warf den Kopf in lächelnder Verwirrung zurück, hob die Lippen und gab ihr einen stummen Kuß. Auf dem Meer in der Ferne unter dem fleckenlosen Himmel trübte keine Welle das unermeßliche Blau. Es war eine Reinheit, eine Ungestörtheit, in der sich noch lange die Worte verloren, die sie nicht mehr aussprachen.
Als Lazare heimgekehrt war, suchte Pauline ihn in seinem Zimmer auf, in jenem großen, geliebten Raume, in dem sie beide aufgewachsen waren. Sie wollte noch am nämlichen Tage ihr Werk zu Ende führen... Bei ihm suchte sie nicht nach Übergängen, sie sprach beherzt. Das Zimmer war voller Erinnerungen an ehemals: vertrocknete Algenbüschel lagen umher, das Bollwerkmodell stand auf dem Klavier, der Tisch war mit wissenschaftlichen Büchern und Musikalien überladen.
»Möchtest du mit mir plaudern?« fragte sie. »Ich habe dir ernste Dinge zu sagen.«
Er schien überrascht und stellte sich vor sie hin.
»Was denn?... Droht Papa eine Verschlimmerung?«
»Nein, höre zu... Die Sache muß endlich berührt werden, das Schweigen führt zu nichts. Du erinnerst dich, daß meine Tante den Plan gefaßt hatte, uns zu verheiraten; wir haben viel darüber gesprochen, und seit Monaten ist nicht mehr die Rede davon. Ich denke, es ist klüger, den Plan aufzugeben.«
Der junge Mann war bleich geworden: aber er ließ sie nicht vollenden und schrie heftig:
»Was faselst du? ... Bist du nicht mein Weib? Wenn du willst, gehen wir schon morgen zum Pfarrer, um ein Ende damit zu machen ... Und das nennst du ernste Dinge?«
Sie antwortete mit ruhiger Stimme:
»Das ist sehr ernst, da du dich auch darüber ärgerst ... Ich wiederhole dir, wir müssen darüber sprechen. – Gewiß, wir sind alte Kameraden, aber ich glaube nicht, daß das Zeug für ein Liebespaar in uns steckt. Wozu nützt es, uns in einen Gedanken zu verbohren, der vielleicht weder dem einen noch dem andern von uns beiden zum Glücke gereichen würde.«
Da brach Lazare in einen Strom abgebrochener Worte aus. Suchte sie etwa Streit mit ihm? Er könne doch nicht immerzu an ihrem Halse hängen. Habe man auch die Heirat von Monat zu Monat aufgeschoben, so wisse sie sehr wohl, daß er nicht die Ursache sei. Es sei unrecht zu sagen, daß er sie nicht mehr liebe. Gerade in diesem Zimmer habe er sie so sehr geliebt, daß er sie nicht mit seinen Fingern zu streifen wagte aus Furcht, sich hinreißen zu lassen, sich schlecht zu betragen. Bei dieser Erinnerung an die Vergangenheit stieg eine tiefe Röte in Paulinens Wangen; er
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