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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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nach wurden die Briefe seltener und kürzer, ihr Vetter hörte auf, von den Geschäften zu sprechen, und begnügte sich, ihr die Grüße seiner Frau zu bestellen. Übrigens gab er keine Erklärungen, er hörte einfach auf, alles zu sagen. War er mit seiner Stellung unzufrieden, und stieß ihn die Geldwelt bereits ab? War das Glück der Häuslichkeit durch Mißverständnisse in Gefahr gebracht? Das junge Mädchen war auf Vermutungen angewiesen, sie beunruhigte sich über die Langeweile, die Hoffnungslosigkeit, die sie aus den wenigen, fast wie widerwillig gesandten Worten herausfühlte. Gegen Ende April erhielt sie nach sechswöchentlichem Schweigen ein Briefchen von nur vier Zeilen, in dem sie las, daß Luise seit drei Monaten guter Hoffnung war. Dann begann das Schweigen wieder, sie bekam keine weiteren Nachrichten.
    Mai und Juni verstrichen noch in dieser Weise. Eine Flut zerbrach eine der Verpfählungen; das war ein verdrießlicher Vorfall, von dem noch lange Zeit gesprochen wurde; ganz Bonneville spottete, Fischer stahlen die losgerissenen Balken. Es folgte eine zweite Geschichte: die kaum dreizehn und ein halbes Jahr alte Gonin wurde von einem Mädchen entbunden; und man war nicht einmal sicher, ob das Kind vom jungen Cuche war, denn man hatte sie auch mit einem alten Manne gesehen. Dann kehrte die Ruhe zurück, das Dorf lebte am Fuße des Abhangs gleich einer der zähen Vegetationen des Meeres. Im Juli mußten die Mauer der Terrasse und ein ganzer Giebel des Hauses ausgebessert werden. Als die Maurer einen ersten Hieb mit der Haue geführt hatten, drohte das übrige auch einzustürzen. Sie blieben den ganzen Monat, die Rechnungen beliefen sich fast auf zehntausend Franken.
    Pauline bezahlte noch immer. Ein neues Loch entstand in ihrer Kommode, ihr Vermögen war auf vierzigtausend Franken eingeschmolzen. Übrigens kam sie mit ihren dreihundert Franken monatlicher Zinsen reichlich im Hause aus, aber sie hatte sich noch zum weiteren Verkauf von Werttiteln entschließen müssen, um das Geld ihres Oheims nicht schlecht anzulegen. Wie ehemals seine Frau, so sagte er ihr jetzt, daß man eines Tages Abrechnung halten werde. Sie würde alles gegeben haben, ihr Geiz hatte sich in dem langsamen Aufbröckeln ihres Erbteils abgenutzt; sie kämpfte nur noch, um die Pfennige für ihre Almosen zu retten. Die Furcht, ihre sonnabendlichen Verteilungen einstellen zu müssen, machte sie untröstlich, denn das war ihre größte Freude der ganzen Woche. Seit dem letzten Winter hatte sie angefangen, Strümpfe zu stricken, alle Kinder im Dorfe hatten jetzt warme Füße.
    Als eines Morgens gegen Ende Juli Veronika gerade den von den Maurern zurückgelassenen Schutt auffegte, erhielt Pauline einen Brief, der sie außer Fassung brachte. Dieser Brief kam aus Caen und enthielt nur wenige Worte. Lazare kündigte ihr ohne irgendwelche nähere Erklärung an, daß er am selben Abend in Bonneville eintreffen werde. Sie lief mit dieser Nachricht schnell zu ihrem Onkel. Beide schauten sich an. In Chanteaus Augen malte sich das Entsetzen, daß sie ihn verlassen könne, falls sich das junge Paar für längere Zeit bei ihm niederlasse. Er wagte nicht, sie zu fragen, auf ihrem Gesicht las er ihren festen Entschluß abzureisen. Am Nachmittag schon ging sie hinauf, um ihre Wäsche nachzusehen. Es sollte indessen nicht den Anschein haben, als ergreife sie die Flucht.
    Gegen fünf Uhr stieg Lazare bei herrlichem Wetter vor der Hoftür aus dem Wagen. Pauline war ihm entgegengeeilt. Aber noch ehe sie ihn umarmte, fragte sie erstaunt:
    »Wie, du bist allein?«
    »Ja«, antwortete er und weiter nichts.
    Er gab ihr zuerst zwei derbe Küsse auf die Wangen.
    »Wo ist Luise?«
    »In Clermont bei ihrer Schwägerin. Der Arzt hat ihr Gebirgsluft empfohlen. Ihre Schwangerschaft nimmt sie sehr mit.«
    Während er so sprach, richtete er bereits seine Schritte nach der Vortreppe und warf lange Blicke in den Hof. Er schaute auch seine Base an, und eine verhaltene Erregung ließ seine Lippen erzittern. Als aus der Küche ein Hund hervorkam, um zwischen seinen Beinen zu kläffen, schien er erstaunt.
    »Was ist denn das?« fragte er.
    »Das ist Loulou«, erwiderte Pauline. »Er kennt dich nicht. Willst du wohl den Herrn nicht beißen, Loulou!«
    Der Hund fuhr fort zu knurren.
    »Er ist schauderhaft. Wo hast du denn dieses Ungeheuer aufgefischt?«
    Es war in der Tat ein armer Bastard, schlecht entwickelt, mit von der Räude zerfressenem Felle. Er war überdies abscheulich

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