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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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sondern auch die Kosten für die Urkunden, die Reise nach Caen und Paris. Es handelte sich also nur noch darum, die Rechnungen durch eigene Unterschrift zu genehmigen. Cazenove nahm jedoch sein Amt als Verwalter ernst und versuchte einige Einwände bezüglich der Fabriksangelegenheit; er wollte Chanteau zwingen, in gewisse Einzelheiten einzugehen. Pauline sah den Arzt flehend an. Wozu das? Sie war selbst bei der Vergleichung dieser Rechnungen behilflich gewesen, die ihre Tante mit ihrer zierlichsten, englischen Handschrift geschrieben hatte.
    Inzwischen hatte sich Minouche mitten auf die Daunendecke gesetzt, um dem befremdlichen Vorgange besser zusehen zu können. Mathieu aber, nachdem er seinen dicken Kopf erst artig auf den Rand des Teppichs gestreckt hatte, begann sich auf den Rücken zu legen und dem Vergnügen in der schönen, warmen Wolle zu liegen nachzugeben; er rieb und rollte sich mit behaglichem Knurren.
    »Bringe ihn doch zur Ruhe, Lazare«, sagte endlich Frau Chanteau ungeduldig. »Man hört ja sein eigenes Wort nicht.«
    Der junge Mann stand am Fenster und verfolgte, um sein Unbehagen zu verbergen, ein weißes Segel in der Ferne. Er schämte sich, als er seinen Vater genau die Summen angeben hörte, die in dem Unglück mit der Fabrik daraufgegangen waren.
    »Schweig, Mathieu«, sagte er und reckte den Fuß.
    Der Hund glaubte einen Stoß auf den Leib zu bekommen, was er sehr liebte, und knurrte noch vergnügter. Glücklicherweise hatte man nur noch die Unterschriften unter die Abrechnung zu setzen. Pauline beeilte sich, mit einem Federstrich alles zu bewilligen. Dann zerfetzte der Doktor, als fühle er Reue, mit einem ungeheuren Namenszug den Stempelbogen.
    »Die Aktiva«, begann Frau Chanteau, »betragen also fünfundsiebzigtausendzweihundertzehn Franken, dreißig Centimes ... Ich werde Pauline das Geld zurückgeben.«
    Sie war auf den Schreibsekretär zugegangen, dessen Platte wieder den kreischenden Ton hören ließ, der sie so oft erregt hatte. In diesem Augenblick aber war alles an ihr feierlich. Sie öffnete die Schieblade, aus welcher der alte Buchdeckel zum Vorschein kam. Es war der nämliche grünmarmorierte, mit Fettflecken betupfte Einband, nur war er dünner geworden, die verminderten Werttitel drohten nicht mehr seinen schafledernen Rücken zu sprengen.
    »Nein, nein!« rief Pauline, »behalte das, Tante!«
    Frau Chanteau machte jedoch Umstände.
    »Wir legen Rechnung ab, wir müssen das Geld zurückgeben ... Das ist dein Gut. Erinnerst du dich, was ich dir vor acht Jahren gesagt habe? Wir wollen keinen Sou für uns behalten.«
    Sie nahm die Titel heraus und zwang das Mädchen zu zählen. Es waren deren für fünfundsiebzigtausend Franken vorhanden, ein kleines Päckchen Gold, in Zeitungspapier gewickelt, bildete den Rest.
    »Aber wohin soll ich jetzt damit?« fragte Pauline, der das Betasten dieser großen Summe die Wangen gefärbt hatte.
    »Schließe es in deine Kommode«, antwortete die Tante.
    »Du bist groß genug, um dein Geld selbst zu überwachen. Ich will es einmal nicht mehr sehen ... Wenn es dir unbequem ist, gib es Minouche, die dich groß anguckt.«
    Die Chanteau hatten bezahlt, ihr Frohsinn kehrte zurück. Lazare spielte erleichtert mit dem Hunde, erfaßte ihn am Schwänze und drehte ihn mit gekrümmtem Rücken wie einen Kreisel herum, während Doktor Gazenove seine Rolle als Verwalter, antrat, indem er versprach, ihre Renten einzuziehen und ihr bei der Anlage des Kapitals behilflich zu sein.
    In der nämlichen Zeit fuchtelte Veronika unten mit ihren Schüsseln umher. Sie war nach oben gekommen und hatte mit gegen die Tür gepreßtem Ohre einige Zahlen aufgefangen. Seit einigen Wochen verscheuchte ihre dumpfe Zärtlichkeit für das junge Mädchen die letzten Vorurteile.
    »Mein Wort, sie haben ihr die Hälfte aufgegessen«, schalt sie wütend. »Nein, das ist nicht recht. Gewiß hatte sie es nicht nötig, zu uns zu kommen; aber ist das ein Grund, sie nackt wie einen Wurm hinzustellen? Nein, ich bin gerecht, ich werde dieses Kind schließlich noch liebgewinnen!«

Viertes Kapitel.
    Als Luise, die zwei Monate bei den Chanteaus verweilen sollte, an jenem Sonnabend auf ihrer Terrasse landete, fand sie dort die Familie versammelt. Der Tag, ein sehr heißer, von der Meeresbrise erfrischter Augusttag, ging zur Neige. Abbé Horteur war schon dort und mit Chanteau in das Damenspiel vertieft, während Frau Chanteau an ihrer Seite an einem Taschentuche stickte. Wenige Schritte von ihnen

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