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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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entfernt, stand Pauline vor einer Steinbank, auf der sie vier Straßenbälge, zwei Mädchen und zwei kleine Jungen, hatte Platz nehmen lassen.
    »Wie! Du schon hier?« rief Frau Chanteau. »Ich legte soeben meine Arbeit zusammen, um dir bis zur Gabelung der Straße entgegenzugehen.«
    Luise setzte aufgeräumt auseinander, daß Vater Malivoire sie wie der Wind hergeführt habe. Sie befand sich wohlauf und wünschte nicht einmal, das Kleid zu wechseln. Während ihre Patin ihre Unterbringung überwachen ging, begnügte sie sich, ihren Hut an den eisernen Riegel eines Fensterflügels aufzuhängen. Sie hatte sie alle umarmt, dann ging sie wieder zu Pauline zurück, die sie lächelnd, anschmeichelnd um die Hüfte faßte.
    »Aber schau mich nur an! ... Wir sind jetzt groß, he? ... Ich mit meinen neunzehn Jahren bin schon eine alte Jungfer ...«
    Sie unterbrach sich und setzte lebhaft hinzu:
    »Übrigens wünsche ich dir Glück ... Stelle dich nur nicht dumm, man sagt mir, im nächsten Monat werde es so weit sein.«
    Pauline hatte die Liebkosungen Luisens mit der besorgt zärtlichen Miene einer älteren Schwester erwidert, trotzdem sie um achtzehn Monate jünger war. Eine leichte Röte stieg ihr in die Wangen, es handelte sich um ihre Hochzeit mit Lazare.
    »Nicht doch, man hat dich getäuscht, versichere ich dir«, antwortete sie. »Es ist nichts bestimmt, es ist nur von diesem Herbst die Rede.«
    In der Tat hatte Frau Chanteau, zur Erfüllung ihrer Zusage gedrängt, vom Herbst gesprochen trotz des Widerstrebens, das die jungen Leute an ihr zu bemerken begannen. Sie war wieder auf ihren ersten Vorwand zurückgekommen und sagte, sie wolle lieber warten, bis ihr Sohn eine Stellung habe.
    »Gut,« sagte Luise, »du bist eine Geheimniskrämerin. Natürlich werde ich doch auch dabei sein, nicht wahr? Und Lazare ist nicht hier?«
    Chanteau, den der Abbé geschlagen hatte, übernahm es zu antworten.
    »Du bist ihm also nicht begegnet, Luisette? Soeben sprachen wir noch davon, daß ihr zusammen ankommen würdet. Ja, er ist in Bayeux, um bei unserm Unterpräfekten vorstellig zu werden. Er kommt indessen noch heute Abend wieder, vielleicht ein wenig spät.«
    Dann nahmen sie das Spiel wieder auf.
    »Ich habe anzufangen, Abbé. Ihr müßt wissen, daß wir die viel besprochenen Schutzwehren nunmehr doch erhalten werden, denn der Kreis kann uns in dieser Angelegenheit eine Unterstützung nicht verweigern.«
    Es war dies eine neue Sache, für die Lazare sich ereiferte. Gelegentlich der letzten Hochflut hatte das Meer zwei weitere Häuser von Bonneville fortgerissen. Nach und nach auf der engen Strandsteinschicht aufgefressen, drohte dem Dorfe ernstlich die Gefahr an den Felsenhängen platt gedrückt zu werden, wenn man sich nicht entschloß, es durch ernste Arbeiten zu schützen. Der Flecken aber mit seinen dreißig baufälligen Hütten war von so verschwindend geringer Bedeutung, daß Chanteau in seiner Eigenschaft als Bürgermeister schon seit zehn Jahren vergeblich die Aufmerksamkeit des Unterpräfekten auf die verzweifelte Lage der Bewohner gelenkt hatte. Endlich hatte Lazare, von Pauline gedrängt, deren Wunsch es war, ihn wieder in Tätigkeit zu sehen, ein ganzes System von Dämmen und Pfahlwerken erdacht, das dem Meere den Maulkorb anlegen sollte.
    Es fehlten nur noch die Mittel, zwölftausend Franken wenigstens.
    »Den puste ich Ihnen, mein Freund«, sagte der Priester und nahm einen Stein.
    Dann gab er gefällig nähere Aufschlüsse über das einstige Bonneville.
    »Die Alten erzählen, daß unterhalb der Kirche selbst, einen Kilometer vom jetzigen Strande entfernt, ein Pachthof gelegen hat. Seit länger als fünfhundert Jahren schon frißt an ihnen die See ... Es ist unbegreiflich, sie müssen von Geschlecht zu Geschlecht ihre Schandtaten büßen.«
    Währenddessen war Pauline zu der Bank zurückgekehrt, auf der ihre vier schmutzigen, zerlumpten Gören mit offenen Mäulern warteten.
    »Was bedeutet das?« fragte Luise, ohne sich zu nahe heranzuwagen.
    »Das sind meine kleinen Freunde«, antwortete sie.
    Ihre tatenlustige Barmherzigkeit breitete sich schon über die ganze Gegend aus. Sie liebte unwillkürlich die Armen und Elenden, fühlte sich nicht von deren Verkommenheit abgestoßen, und trieb diesen Geschmack soweit, daß sie den Hühnern Verbände an die gebrochenen Füße anlegte und Näpfe mit Suppe für die verlaufenen Katzen des Nachts hinausstellte. In ihr lebte beständig die Sorge um die Leidenden, das Bedürfnis

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