Die Lebensprinzipien
der Seelen-Bilder-Welt.
Saturn zeigt jedoch auch eine Entwicklungsmöglichkeit. Vom alles verneinenden Gott unbarmherziger Alleinherrschaft wandelt er sich zum weisen Gott (Di-)Janus, dem Zweiköpfigen, der von nun an beide Seiten sehen kann und den Menschen Frieden und Kultur
bringt. Damit macht Saturns Mythos auch deutlich, wie ungleich besser das Leben und auch dieses Prinzip gedeihen kann, wenn es unter der Oberhoheit gnädiger Nachfolger wie Jupiter oder Christus wirkt.
Als Hüter der Schwelle ist Saturn im spirituellen oder als Sensenmann im profanen Bereich schließlich noch die gefürchtete Instanz, die alles Unwesentliche abschneidet und dazu zwingt, es zurückzulassen. Damit vertritt er eine brandaktuelle Thematik, denn die überwiegende Mehrheit der modernen Menschen kümmert sich fast ausschließlich um materielle Angelegenheiten und damit um Dinge, die beim letzten Übergang nur im Weg sind. Alle Traditionen kennen diese Falle und machen Witze darüber, aber die meisten laufen stur weiter in sie hinein. In der christlichen Version heißt der entsprechende Witz: Der alte steinreiche Mann liegt auf dem Sterbebett. Die Professoren der Medizin haben den Kardinälen Platz gemacht, während der Sterbende jammernd stammelt: »Könnte ich doch wenigstens meine Golddukaten mitnehmen.« Vorlaut sagt der Messdiener: »Die würden bei Ihnen sowieso gleich schmelzen.«
Tod und Sterben ist Thema von Saturn, der wie kein anderes Prinzip für die Endlichkeit und die Begrenzung des Lebens steht.
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Im Jedermann und anderen Volksstücken wie dem Brandner Kaspar und das ewig’ Leben ist der Versuch thematisiert, dem Sensenmann ein Schnippchen zu schlagen. Kein Bereich ist heute wohl so verdrängt wie das Sterben, und nichts belastet unser Leben so sehr wie diese Verdrängung. Hier liegt ein riesiger Aufgabenbereich, der von der Sterbebegleitung bis zum Verständnis des Todes reicht. Das kleine Buch Die große Verwandlung – wir sterben und werden weiterleben gibt dem Raum.
Saturn ist mit seinen Hindernissen und Hemmnissen auch zuständig für alles Leid und die entsprechenden Krankheitsbilder. Sie sind es aber auch, die Menschen in ihrer Entwicklung am meisten voranbringen. Dafür steht das Thema der Krankheitsbilder-Deutung der Bücher Krankheit als Weg bis Krankheit als Symbol . Alle Krankheitsmythen gehören letztlich zu Saturn.
Schließlich konfrontiert uns Saturns Mythos noch mit zwei zentralen Archetypen des Alters: dem unbarmherzigen und unbelehrbaren Alleinherrscher und dem gnädigen, guten alten König. Ersteren sehen wir überall auch in der Öffentlichkeit etwa in den alten Despoten der Welt von Arabien bis China. Letzterer ist selten, aber es gab ihn in Gestalt von König Hussein von Jordanien oder heute noch in Bhumibol von Thailand und Prince Charles könnte einer für England werden. Nachdem das Gewissen ebenfalls zu Saturn gehört, liegt hier auch die Chance der Entwicklung vom einen zum anderen Pol.
Saturn vermittelt auch noch das Urbild vom Vater, das heute so sehr fehlt. Junge Leute, die sich gar nichts aus der katholischen Moraltheologie machen, himmelten auf der Suche nach einem guten Papa trotzdem und zu Abertausenden den greisen, kranken Papst Johannes Paul II. an. In so vielen Familien bemühen sich alleinerziehende Mütter nach Kräften, können aber natürlich die Vaterrolle nicht ersetzen. Somit ist die schon früher vom Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich entdeckte vaterlose Gesellschaft weiter auf dem Vormarsch, und dieser wichtige Archetyp bleibt weitgehend vakant.
Wenn seine dunklen Seiten und anspruchsvollen Forderungen ernstgenommen und erfüllt werden, kann sich dieses Lebensprinzip auch als Glück erweisen. Das vierblättrige Kleeblatt, das mit der Vierheit an die irdisch saturnine Welt der Materie erinnert, bringt ebenso Glück wie der Kaminkehrer, der als schwarzer Mann an die Schattenwelt erinnert. Ein Glücksbringer ist auch das Hufeisen vom Pferdefuß des Todes.
Politik(er)
Konrad Adenauer , der erste deutsche Nachkriegskanzler, war auch äußerlich ein sehr saturngeprägter hagerer Mann, der figürlich zu seinem ausufernd jovisch geprägten Wirtschaftminister Ludwig Ehrhard ein vollkommenes Kontrastprogramm bot. Erst spät im Leben kam er als Kanzler an die Macht, bewältigte die Aufräumungsarbeiten der Nachkriegszeit, holte die Kriegsgefangenen zurück und konsolidierte das geschlagene Deutschland in eindrucksvoller, aber auch zugleich bescheiden
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