Die Lebensprinzipien
Sohn, Jupiter-Zeus, entmachtet. Aber der lässt wie Christus Gnade vor Recht ergehen und bringt nun eine ganz andere Stimmung ins Leben.
In Wahrheit hängen die meisten Menschen unseres Kulturraumes aber noch immer zwischen diesen beiden Ebenen. Die wenigsten haben den Schritt zur christlichen oder jovischen Ebene des Verzeihens und der Nächstenliebe konsequent geschafft. So braucht es uns auch nicht zu wundern, wenn die Mehrheit der »Christen« weiterhin dem jüdischen Gesetz der Zehn Gebote anhängt und die
Neuauslegung von Christus konsequent übersieht. Jesus sagt sinngemäß: »Moses hat euch gesagt, ihr sollt nicht stehlen, ich aber sage euch, wer nur seines nächsten Hab und Gut begehrt, ist bereits schuldig.« Das mag auf den ersten Blick noch strenger erscheinen – nach dieser Neuauslegung sind wir alle an allen Zehn Geboten schuldig –, doch nun könnten wir mit uns und unseren Mitmenschen insgesamt gnädiger umgehen. Aber die große Mehrheit steht weiter auf das jüdisch strenge Gesetz Jahwes, das heißt, sie vollzieht den Schritt zu Jupiter nicht, sondern hält es weiter mit Saturn.
So bleiben Vergeltung und Rache weiterhin zentrale Elemente nicht nur der Welt-, sondern meist auch der Familienpolitik. Die erlöste Variante dieser Haltung wird in der Aufforderung deutlich, niemandem etwas anzutun, von dem man nicht will, dass es einem selbst geschehe. Doch so schön diese erlöste Variante klingen mag, es steckt Angst vor Vergeltung als Triebkraft dahinter. Mythologisch zeigt sich dieser Zusammenhang in der Tatsache, dass aus dem herabtropfenden Blut bei dem von Chronos-Saturns an Uranus vollzogenen Kastrierungsakt die Erinnyen, die Rachegöttinnen, entstehen. Sie rächen den Verrat an der Mutter, da Chronos-Saturn hier die Kränkung von Gaias Muttergefühlen und deren Kindern durch Uranus vergilt. Später in der patriarchalen Zeit verfolgen die Erinnyen jedoch Vatermord und Meineid.
Aus Angst vor dem Orakelspruch, dass Gleiches mit Gleichem vergolten werde, verschlingt Saturn seine eigenen Kinder, damit keines von ihnen zu seinem Mörder werde. Damit macht er sich auch zum Ahnherrn all jener, die versuchen, das Schicksal auszutricksen und ihm zu entkommen. Das sind nicht bloß in der Antike die Eltern von Ödipus, sondern bis heute all jene Menschen, die beim Universum bestellen, aber nicht bezahlen wollen, all die Wunschapostel und Rattenfänger und natürlich jene, die ihnen glauben. Wer hofft, mit positivem Denken und Affirmationsakrobatik seinem Schicksal zu entkommen oder ihm ein Schnippchen zu schlagen und sich vor den anstehenden Lernaufgaben drücken zu können, ist hier und bis heute betroffen. Es wird ihm so gehen
wie Saturn, der schließlich von seiner eigenen Frau und Schwester Rhea, der Fließenden, überlistet wird, die sich seinem strengen, konservativen Regime widersetzt. Sie bringt das Leben wieder in Fluss, indem sie ihren jüngsten Sohn Zeus vor Saturn verbirgt, so dass dieser ihn nicht verschlingen kann. Ihrem gefräßigen Mann gibt sie stattdessen einen in Windeln gewickelten Stein. Als Mundschenk getarnt, schmuggelt sich Zeus später zu seinem Vater und kredenzt ihm einen Trank nach Rezept von Rhea, der ihn all die von ihm verschlungenen Kinder wieder erbrechen lässt. Alles Verdrängte kommt eben irgendwann wieder hoch. Auch dieses Gesetz verdeutlicht Saturn.
Weiterhin steht er als Chronos-Saturn und Gott der Zeit auch dafür, dass die Zeit ihre Kinder verschlingt. Wie sehr dieses Gesetz noch immer unser Leben bestimmt, wissen und spüren wir alle. Oft ist es hilfreich, wenn man sich von der Zeit und den mit ihr verbundenen Problemen unter Druck gesetzt fühlt, darüber nachzudenken, wie das Ganze rückwirkend mit dem Abstand von zehn Jahren aussehen wird. Jede Zeit bringt Probleme mit sich, aber sie verschlingt und relativiert sie auch wieder.
Chronos-Saturn aber hat Glück (Jupiter) im Unglück (Saturn) und erfährt Gnade. Er wird weder entmannt noch ermordet, sondern nur verbannt, ein Schicksal, das bis heute viele Tyrannen teilen. Grausame Potentaten dieser Welt werden ja nicht – nach dem Gesetz von Saturn – mit dem Internationalen Strafgerichtshof und Vergeltung konfrontiert, sondern erfahren oft die Gnade luxuriösen Exils. Dort wollen sie sich mit den zusammengestohlenen Millionen oder Milliarden dann ein schönes Leben machen. Sie können es aber nicht wegen der inneren Verfolgung durch die erwähnten Erinnyen und andere Furien und Instanzen des Ausgleichs aus
Weitere Kostenlose Bücher