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Die Legende der Wächter 1: Die Entführung

Die Legende der Wächter 1: Die Entführung

Titel: Die Legende der Wächter 1: Die Entführung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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seine Eltern und Geschwister. Sie besaß genauso ein herzförmiges weißes Gesicht und dunkle Augen. Doch obwohl ihm dieser Anblick so vertraut war, jagten ihm die Augen der fremden Eule Angst ein.
    „Stell dich in die hinterste Reihe und mach dich bereit, die Schlafhaltung einzunehmen.“ Der Befehl ertönte in der wohlbekannten heiseren Aussprache der Schleiereulen, aber Soren fand diesen Umstand keineswegs beruhigend.
    Dann wandten sich die beiden Eulen, welche die neu eingetroffenen Waisen in das Glaucidium begleitet hatten, an die Jungvögel. Es waren beides Waldohreulen. Über den rötlichen Augen sprossen ihnen lange Federbüschel, die sich unablässig hin und her drehten, was Soren ganz nervös machte. Sie sprachen abwechselnd, untermalt von dumpfen, seltsam schnarrenden Lauten. Ihr Huuu! schüchterte Soren noch mehr ein als Skenchs barsche Sprechweise, denn die Laute schienen klirrend in seiner Brust widerzuhallen.
    „Ich bin Jatt“, stellte sich die eine Waldohreule vor. „Ich war auch mal eine Nummer. Aber ich habe mir einen neuen Namen verdient.“
    „Www…“ Soren unterbrach sich erschrocken.
    „Nummer 12-1, deinem hässlichen Schnabel will offenbar eine Frage entschlüpfen!“ Diesmal ließ das Huuu! Sorens Brust derart erbeben, dass er schon glaubte, sein Herz müsste zerspringen.
    „Dami t – da s – ei n – fürr r – all e – Ma l – klarrr ist!“ Soren konnte kaum hinhören. „Hier im Sankt Äggie vermeiden wir gewisse Wörter, die mit Www… anfangen! Solche Wörter bilden meist den Auftakt zu einer Frage, und Fragen sind ein Ausdruck geistiger Maßlosigkeit. Fragen mögen die Vorstellungskraft beflügeln, aber sie lähmen zugleich unsere besten Eigenschaften als Eulen, nämlich Zähigkeit, Geduld, Bescheidenheit und Selbstzucht. Wir können nicht dulden, dass ihr hemmungslos in W-Wörtern schwelgt. Solche Wörter sind unanständig, ja, sie sind derart verwerflich, dass wir gezwungen sind, ihre Verwendung auf das Schwerste zu bestrafen.“ Jatt blinzelte und ließ den Blick auf Sorens Flügeln ruhen. „Unsere Aufgabe ist es, aus euch richtige Eulen zu machen. Dafür werdet ihr uns eines Tages dankbar sein.“
    Soren wurde ganz schwummerig vor Angst. Diese beiden Eulen waren so ganz anders als Finn y … Tante Finny!, berichtigte er sich stumm.
    Jatt schnarrte jetzt nicht mehr ganz so unerträglich. „Und nun hat euch mein Vetter etwas zu sagen.“
    Die Sprechweise des Vetters war der seinen zum Verwechseln ähnlich. „Ich bin Jutt. Auch ich war einmal eine Nummer und musste mir meinen neuen Namen erst verdienen. Ihr nehmt jetzt Schlafhaltung ein: gerade stehen, Kopf hoch, Schnabel zum Mond! Wie ihr seht, sind in diesem Glaucidium bereits Hunderte von Eulenkindern versammelt. Sie haben alle auf diese Weise das Schlafen erlernt. Und ihr werdet es jetzt auch lernen.“
    Soren sah sich verzweifelt um. Wo war Gylfie? Aber er konnte nur Hortense, beziehungsweise Nummer 12-8, entdecken. Sie stand in vorbildlicher Schlafhaltung da. Ihr Kopf bewegte sich nicht, woran Soren erkennen konnte, dass sie im grellen Schein des Vollmonds bereits fest eingeschlafen war. Ein Stück weiter weg erspähte Soren einen bogenförmigen Durchgang. Wahrscheinlich war dahinter das benachbarte Glaucidium. Die Eulen dort schienen zu marschieren. Dabei öffneten und schlossen sie die Schnäbel, allerdings war nicht zu verstehen, was sie sagten.
    Jatt ergriff wieder das Wort. „Es ist streng verboten, beim Schlafen den Kopf unter den Flügel zu stecken oder ihn auf die Brust sinken zu lassen. Ebenso ist es untersagt, die Haltung einzunehmen, die sich viele von euch Jungvögeln angewöhnt haben, nämlich sich halb umzudrehen und den Kopf auf die Schulter zu legen.“ Soren unterdrückte mindestens sieben Wwws. „Eine falsche Schlafhaltung steht unter schwerster Strafe.“
    Jutt übernahm: „Zur Überwachung drehen im Glaucidium Schlafaufseher ihre Runden.“
    Jatt war wieder an der Reihe. Die beiden schienen bestens aufeinander eingespielt. Bestimmt hatten sie diese Ansprache schon oft gehalten. „Außerdem wird in regelmäßigen Abständen ein Signal ertönen, worauf sämtliche im Glaucidium befindlichen Eulenkinder den Schlafmarsch anzutreten haben.“
    „Beim Marschieren wiederholt ihr euren alten Namen immer und immer wieder“, verkündete nun Jutt. „Ertönt das zweite Signal, bleibt ihr sofort stehen und nennt eure Nummer, aber nur ein Mal, wohl gemerkt, dann nehmt ihr die Schlafhaltung

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