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Die Legende der Wächter 1: Die Entführung

Die Legende der Wächter 1: Die Entführung

Titel: Die Legende der Wächter 1: Die Entführung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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dauern mochte.
    „Das erklärt alles. Außerdem gibt es in Tyto sehr alte Bäume, nicht wahr?“
    „Oh ja! Bei uns gibt es viele, viele Bäume mit hohen Stämmen und Kronen voller prächtiger Nadeln und Zapfen oder mit Blättern, die sich rot und golden färben.“ Das mit dem Färben behauptete Soren, obwohl er die Blätter immer nur rot und golden gekannt hatte. Seine Eltern hatten ihm aber erzählt, dass die Blätter im Sommer grün waren. Kludd war gegen Ende der grünen Zeit geschlüpft.
    „Ich bin nämlich drei Wochen vor dir geschlüpft.“ Sie sprachen im Flüsterton und behielten die befohlene Schlafhaltung bei, aber beide waren hellwach. „Ich bin nach der Erneuerung geschlüpft.“
    „Die Erneuerung? Wann ist das?“
    „Als o … Der Mond kommt und der Mond geht. Bei der Erneuerung ist der Mond so schmal wie eine Flaumfeder. Danach wird der Mond mit jedem Tag runder, bis wir vollen Schein haben, so wie jetzt. Der volle Schein hält ungefähr drei, vier Tage an, dann folgt das Schwinden. Statt weiter dicker und runder zu werden, schwindet der Mond dahin und wird immer dünner, bis er schließlich wieder flaumfederschmal ist. Danach ist er für eine Weile ganz weg.“
    „Das habe ich noch nie erleb t …“
    „Du hättest es erleben können, wenn du nicht in einem hohen Baum in einem dichten Wald gewohnt hättest. Wir Elfenkäuze leben in der Wüste, da gibt es kaum Bäume, und die wenigen haben nur spärliches Laub. Wir können fast immer den ganzen Himmel sehen.“
    „Ui!“, entfuhr es Soren gedämpft.
    „Darum warnen uns unsere Eltern auch vor dem vollen Schein. Zwar schlafen auch wir meistens tagsüber, aber nach einem anstrengenden Beuteflug kommt es schon einmal vor, dass eine Eule so müde ist, dass sie auch bei Nacht schläft. Das kann sehr gefährlich werden, wenn man sich dabei ungeschützt dem Licht des Vollmondes aussetzt. Man wird davon ganz wirr im Kopf.“
    „Wieso?“
    „Das kann ich dir auch nicht erklären. Meine Eltern haben nur erzählt, dass der alte Kauz Rocmore durch den vollen Schein den Verstand verloren hat.“ Gylfie musste sich sichtlich überwinden weiterzusprechen: „Sie meinten, er habe immer öfter nicht mehr gewusst, wo oben und wo unten ist. Zum Schluss hat er sich das Genick gebrochen, weil er überzeugt gewesen sei, von einem Kaktus aufzufliegen.“ Gylfie versagte beinahe die Stimme. „Er wollte zum Sternenhimmel hochfliegen, aber er ist runtergekracht. So ist das nämlich, wenn man mondwirr ist. Dann weiß man nicht mehr, was richtig und was falsch ist. Man kann die Lüge nicht von der Wahrheit, die Wirklichkeit nicht von der Täuschung unterscheiden.“
    „Das ist ja schlimm!“, rief Soren erschrocken aus. „Und das passiert uns jetzt auch?“
    „Nicht unbedingt.“
    „Was können wir denn dagegen tun?“
    „Da muss ich erst mal nachdenke n … Fürs Erste legst du am besten den Kopf ein bisschen schief, damit der Mond nicht direkt draufscheint. Bei vollem Schein zu fliegen, schadet übrigens nichts, nur schlafen darf man auf keinen Fall.“
    „Ich kann noch gar nicht fliegen“, entgegnete Soren traurig.
    „Pass einfach auf, dass du nicht einschläfst.“
    Soren legte den Kopf schief und richtete dabei den Schnabel so aus, dass er die Elfenkäuzin betrachten konnte.
    Wie kann ein derart winziges Geschöpf bloß so gewitzt sein?, dachte er. Hoffentlich, ach hoffentlich hatte Gylfie eine rettende Ide e …
    Ein barscher Befehl ließ ihn zusammenfahren. „12-1, Kopf gerade, Schnabel hoch!“ Ein Schlafaufseher. Soren fing sich die zweite Ohrfeige ein.
    Immerhin schliefen weder Gylfie noch er selbst ein, und als der Schlafaufseher abgezogen war, unterhielten sie sich flüsternd weiter. Doch da ertönte auch schon das unvermeidliche Marschsignal. Es würde wieder drei Runden dauern, bis sie unter dem Bogen weitersprechen konnten.
    „Denk immer dra n – du darfst auf gar keinen Fall einschlafen!“
    „Ich bin schrecklich müd e … Was soll ich bloß dagegen machen?“
    „Denk an irgendwas.“
    „Woran denn?“
    „Na ja, zum Beispie l …“ Gylfie überlegte noch, da schubste ein Schlafaufseher sie vorwärts. „Denk ans Fliegen!“
    Ans Fliege n … Ja, der Gedanke ans Fliegen würde ihn wach halten, etwas Aufregenderes gab es schließlich nicht. Doch alle Träume vom Fliegen wurden von seiner eigenen Stimme übertönt, die leiernd seinen Namen wiederholte: „Sore n … Sore n … Sore n … Sore n … Sore n …“
    Obendrein hörte man die

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