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Die Legende der Wächter 2: Die Wanderschaft

Die Legende der Wächter 2: Die Wanderschaft

Titel: Die Legende der Wächter 2: Die Wanderschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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geschlossen hatte.
    Als die Sterne nach und nach verblassten, hielten sie nach einem Landeplatz Ausschau. Gylfie entdeckte schließlich eine alte Platane, deren Rinde in der mondlosen Nacht silbrig schimmerte. Der Mond war schon vor etlichen Nächten immer schmaler geworden, bis er schließlich ganz und gar verschwunden war. Er würde sich frühestens in der folgenden Nacht wieder zeigen, wenn er anfing, sich zu erneuern.

Süßschnäbelchen und Rußschnäbelchen

    „Oh ja, Schatz, davon habe ich schon gehört, aber es ist doch nur eine alte Legende.“
    „Man kann es auch anders sehen, Süßschnäbelchen“, entgegnete das Rußeulenmännchen.
    Das Rußeulenpaar hatte die vier Jungvögel ausgesprochen gastfreundlich in seiner geräumigen Höhle in der alten Platane aufgenommen. Sie waren viel netter als die beiden Maskenschleiereulen. Ja, sie waren wirklich furchtbar nett, dachte Sore n … und furchtbar langweilig. Sie redeten einander nur mit Kosenamen an: Süßschnäbelchen und Rußschnäbelchen. Sie fanden alles immer ganz wunderbar, nie wurden sie unfreundlich oder böse. Ihre Kinder waren schon groß und aus dem Nest.
    „Letztes Jahr sind sie ausgeflogen, aber sie wohnen ganz in der Nähe“, erklärte Rußschnäbelchen, das Männchen. „Aber wer weiß, vielleicht beglückt uns Süßschnäbelchen ja schon in der nächsten Brutzeit mit einem neuen Gelege. Und wenn nich t … wir sind einander auch so genug!“ Worauf die beiden sich zärtlich gegenseitig das Gefieder putzten.
    Soren und Gylfie kam es vor, als ob die beiden Rußeulen den lieben langen Tag nichts anderes taten. Sie konnten die Schnäbel einfach nicht voneinander lassen, es sei denn, sie flogen auf die Jagd. Das jedoch musste man ihnen lasse n – sie waren hervorragende Jäger. Was wieder für sie sprach, fand Soren. Er hatte noch nie so gut gespeist. Allerdings hatte Morgengrau seine Gefährten heimlich davor gewarnt, dass Rußeulen zu jenen seltenen Eulenarten gehörten, die auch in Bäumen jagten, nicht nur auf dem Boden.
    Heute Nacht bestand das Mahl aus einem Gleitbeutler, einem Verwandten des Opossums. Das Fleisch zerging auf der Zunge und schmeckte so süß, wie die jungen Eulen noch keines gekostet hatten.
    Vielleicht, überlegte Soren, redeten die beiden Rußeulen einander mit so zuckersüßen Kosenamen an, weil sie einfach zu viel Süßes fraßen. Wenn man sich ausschließlich von süßem Fleisch ernährte, wurde man bestimmt selber ganz süßlich und klebrig. Bei dem ständigen „Süßschnäbelchen hie r – Rußschnäbelchen da“ wurde Soren ganz gaga, aber zum Glück hatten die beiden inzwischen das Thema gewechselt und unterhielten sich auf ihre gewohnt langweilige Art über den Großen Ga’Hoole-Baum.
    Süßschnäbelchen wandte sich an ihren Gatten: „Was meinst du mit ,man kann es auch anders sehen‘, Rußschnäbelchen? Ist der Baum nun eine Legende oder nicht? Ich meine, den kann es doch nicht wirklich geben, oder?“
    „Nun ja, Süßschnäbelchen, manche Eulen sind der Meinung, er sei einfach unsichtbar.“
    „Was ist an ,unsichtbar‘ einfach?“, warf Gylfie ein.
    „ Tschurr! “ Die beiden Rußeulen brachen in schallendes Gelächter aus. „Genau wie unsere Tibby, stimmt’s, Rußschnäbelchen?“ Darauf war wieder einmal ausgiebiges Schnäbeln und Putzen angesagt. Soren dagegen fand Gylfies Frage durchaus einleuchtend.
    „Nun, ihr Lieben“, erwiderte Rußschnäbelchen schließlich, „daran ist natürlich nichts einfach. Ich meinte ja auch bloß, dass manche Eulen behaupten, der Große Ga’Hoole-Baum sei unsichtbar. Angeblich wächst er auf einer Insel inmitten eines riesigen Sees. Der See ist fast so groß wie ein Meer und wird darum auch ,Hoolemeer‘ genannt. Dieser See ist stets in Dunst gehüllt, über die Insel fegen Gewitterstürme und der Baum wird von dichtem Nebel umwallt.“
    „Dann ist der Baum also nicht wirklich unsichtbar. Auf der Insel ist einfach nur schlechtes Wetter“, bemerkte Morgengrau trocken.
    „Auch das würde ich so nicht sehen“, erwiderte Rußschnäbelchen. Morgengrau legte den Kopf schief. „Für manche Besucher löst sich der Dunst angeblich auf, die Gewitterstürme ziehen ab und der Nebel lichtet sich.“
    „Für manche?“, wiederholte Gylfie fragend.
    „Für jene, die den Glauben haben.“ Rußschnäbelchen machte eine kurze Pause und fuhr in abfälligem Ton fort: „Aber den Glauben woran, bitte schön? Das verrät einem wieder keiner! Das Ganze ist eben doch nur ein

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