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Die Legende von der Schlafhöhle (German Edition)

Die Legende von der Schlafhöhle (German Edition)

Titel: Die Legende von der Schlafhöhle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
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sich in ein sumpfiges und dicht bewaldetes, unter dem Namen Wiley’s Sumpf bekanntes Thal. Einige rohe, neben einander gelegte Stämme dienten als Brücke über dieses Wasser. An der Seite der Straße, wo der Bach in den Wald eindrang, verbreitete eine Gruppe von Eichen und Nußbäumen, dick mit wilden Weinreben umzogen, eine große Dunkelheit über denselben. Diese Brücke zu passiren, war ein schweres Unternehmen. Gerade an dieser Stelle war es, wo der unglückliche André gefangen worden war, und in dem Dickicht dieser Nußbäume und Weinreben hatte sich der starke Bauer verborgen, der ihn überfiel. Daher hielt man auch den Fluß seit dieser Zeit für verzaubert, und alle Schulbuben, die ihn in der Dunkelheit allein zu passiren hatten, fürchteten sich über alle Beschreibung.
    Als er sich dem Fluß näherte, fing sein Herz zu pochen an; er nahm jedoch allen seinen Muth zusammen, setzte seinem Pferde die Sporen in die Rippen und suchte schnell über die Brücke zu kommen; aber anstatt vorwärts zu springen, machte das widerspenstige alte Thier eine Seitenbewegung und rannte quer gegen den Zaun. Ichabod, dessen Furcht mit der Verzögerung wuchs, zog mit dem Zügel nach der anderen Seite und stieß wacker mit dem entgegengesetzten Fuße; aber Alles war vergeblich; sein Pferd raffte sich zwar auf, aber nur um auf die entgegengesetzte Seite des Weges in ein Dickicht von Brombeer-und Erlenbüschen zu stürzen. Jetzt ließ der Schulmeister Peitsche und Ferse auf die abgemagerten Rippen Gunpowders einwirken, worauf dieser schnaubend vorwärts stürzte, aber gerade bei der Brücke zum Stehen kam, und zwar so plötzlich, daß er seinen Reiter fast über seinen Kopf heruntergeworfen hätte. Gerade in demselben Augenblick schlug ein dumpfes Geräusch an der Seite der Brücke an Ichabods feines Ohr. Zugleich sah er im dunkeln Schatten des Haines am Rande des Flusses etwas Großes, Mißgestaltetes, Schwarzes, gleich einem Thurm. Es bewegte sich nicht, sondern schien sich in der Dunkelheit zu verbergen, wie ein Riesenungeheuer, das bereit ist, auf den Wanderer loszuspringen. Dem furchtsamen Pädagogen stiegen vor Schrecken die Haare zu Berge. Was sollte er anfangen? Umzukehren und zu fliehen, war jetzt zu spät; wie hätte er auch einem Geist oder Gespenst, wenn es ein solches war, entrinnen mögen, das ja auf Windesflügeln dahineilen konnte? Er ermuthigte sich deßhalb, so gut er konnte, und fragte mit stotternder Stimme: »Wer bist Du?« Es erfolgte aber keine Antwort. Noch einmal prügelte er auf die unbeugsamen Flanken Gunpowders los und fing an, mit geschlossenen Augen ein geistliches Lied zu singen. Augenblicklich aber setzte sich das furchtbare Schattenobjekt in Bewegung und stellte sich mit einem Sprung mitten in den Weg. Obgleich die Nacht finster und schrecklich war, konnte man doch jetzt einigermaßen die Form des unbekannten Wesens unterscheiden. Es schien ein Reiter von bedeutendem Umfange auf einem schwarzen Pferde von mächtiger Gestalt zu sein. Er machte keine Anstalt, den Wanderer zu beunruhigen oder sich zu ihm zu gesellen, sondern blieb zur Seite in einiger Entfernung vom Wege, indem er auf der blinden Seite Gunpowders vorwärts trottete, der jetzt seine Furcht und seinen Eigensinn verloren hatte.
    Ichabod, der keinen Gefallen an diesem fremden nächtlichen Begleiter hatte und der an die Abenteuer Brom Bones’ mit dem galoppirenden Hessen dachte, trieb sein Pferd an, in der Hoffnung, ihn hinter sich zu lassen. Der Fremde dagegen hielt mit ihm gleichen Schritt. Ichabod riß aus, der andere that dasselbe. Da begann ihm der Muth zu sinken; er wollte wieder singen, aber seine trockene Zunge klebte ihm am Gaumen, und er konnte keinen Ton hervorbringen. Es lag etwas Mysteriöses und Erschreckliches in dem mürrischen Schweigen dieses beharrlichen Begleiters. Bald sollte es sich aufklären. Indem sie eine etwas bergansteigende Gegend hinanritten, wobei sich die riesenhafte, in einen Mantel gehüllte Gestalt besser von dem Himmel abhob, war Ichabod vor Schrecken fast des Todes, als er bemerkte, daß sie keinen Kopf hatte! Noch größer aber war sein Schrecken, als er wahrnahm, daß der Kopf, statt auf den Schultern, vor ihm auf dem Sattelknopf lag. Sein Schrecken stieg zur Verzweiflung; er ließ eine Masse von Stößen und Schlägen auf Gunpowder hernieder regnen, indem er hoffte, durch eine plötzliche Bewegung seinem Begleiter zu entwischen – aber das Gespenst blieb ihm immer zur Seite. So stürzten sie denn

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