Die Legende von Shannara 02: Die Herrschaft der Elfen
keinerlei Spuren entdecken, wohin sie gegangen sein könnte.
Als er die Stelle fast erreicht hatte, beschwor er die Magie und ließ das helle Licht des Stabes direkt darauf fallen. Einen ganz kurzen Moment lang glaubte er ein Flackern wahrzunehmen – einen Riss in der Luft –, das etwas mehr war als nur ein vertikaler Schimmer. Es war da und im nächsten Moment verschwunden. Pan blinzelte angesichts dieser schnellen, flüchtigen Erscheinung, weil er nicht wusste, was er gesehen hatte.
Langsam bewegte er sich darauf zu.
Xac Wen stand so dicht bei Prue Liss, dass er ihr Keuchen hörte, als Panterra Qu sich genau an derselben Stelle, an der Phryne vor zwei Tagen verschwunden war, in Luft auflöste. Der Elfenjunge konnte es einfach nicht glauben. Er hatte angenommen, die Gefahr wäre vorbei und sie würden im Moment nur nach einer Spur suchen, ob die Prinzessin möglicherweise wieder hier herausgekommen wäre. Immerhin war er unter dem Bogen hin und her gegangen, und zwar genau dort, wo die beiden verschwunden waren, aber ihm war nichts dergleichen widerfahren. Also gab es keinen Grund anzunehmen, dass einem seiner Gefährten so etwas passieren würde.
Und nun war genau das geschehen. Xac Wen war wie betäubt.
Prue Liss dagegen zögerte keine Sekunde. Sie stürmte vorwärts zu dem Bogen, kaum dass Pan verschwunden war, und schrie seinen Namen. Ihre Stimme klang panisch. Xac rannte hinterher, weil er jetzt um beide Gefährten Angst hatte. Aber als sie den Bogen und die Stelle erreichten, wo zunächst Phryne und jetzt Panterra verschwunden waren, geschah nichts. Das Mädchen tastete mit den Händen in der Luft und wirbelte herum, als wollte sie eine Spinnwebe entfernen.
»Wo ist er?«, kreischte sie.
Darauf wusste Xac Wen keine Antwort.
KAPITEL 19
WER HAT DICH HERGEBRACHT , MÄDCHEN ?
Phryne erkannte die Stimme nicht, aber sie konnte die Quelle sofort orten. Es war ein weiterer Schatten, eine alte Frau, die ganz anders wirkte als Mistral. Dieser Schatten glühte in einem bösartigen grünen Feuer, das in der Mitte ihrer transparenten Gestalt bedrohlich pulsierte. Die Gestalt war gebückt und hutzelig, ihr Gesicht zerknittert wie zerknülltes Papier, aber sie war von einer eindringlichen Präsenz, als sie da auf der kurzen, flachen Oberfläche eines merkwürdigen, dreieckigen Steines stand, in den die Buchstaben P, R und G eingraviert waren.
MISTRAL BELLORUUS HERRSCHT HIER NICHT . SIE ENTSCHEIDET NICHT, WER KOMMT UND GEHT . DAS ENTSCHEIDE ICH .
Phryne sah ihre Großmutter hilfesuchend an, aber Mistral presste sich gegen ihren Grabstein und wandte ihr Gesicht ab.
BEANTWORTE MEINE FRAGE , MÄDCHEN . WER HAT DICH HIERHERGEBRACHT ? WAS WOLLEN DIE LEBENDEN VON DEN TOTEN , DASS DU ZU MIR KOMMST ?
»Ich weiß nicht einmal, wer du bist«, antwortete Phryne scharf, nachdem sie sich erholt und ihre Sprache wiedergefunden hatte.
KLEINE NÄRRIN . ALLE IM LAND DER TOTEN KENNEN MEINEN NAMEN . ICH BIN KÖNIGIN PANCEA ROLT GOTRIN , HERRSCHERIN IN DIESER UNTERIRDISCHEN WELT . ALSO WER HAT DICH HERGEBRACHT ? ICH WERDE NICHT NOCH EINMAL FRAGEN .
Pancea Rolt Gotrin, die vor fünfhundert Jahren an dieser Stelle Kirisin die Blauen Elfensteine gegeben hatte! Phryne bemühte sich krampfhaft, sich an die Einzelheiten dieser Geschichte zu erinnern, vergeblich.
»Niemand hat mich hergebracht«, log sie, entschlossen alles zu tun, was in ihrer Macht stand, um Mistral zu schützen. »Ich habe allein hierhergefunden. Und im Land der Lebenden bin ich eine Prinzessin!«
Die Schattenfrau zischte, als wäre sie verbrüht worden.
DU LÜGST , PRINZESSIN VON WAS AUCH IMMER . WAS FÜR EINE PRINZESSIN BIST DU GENAU ? EINE PRINZESSIN DER ELFEN , DIE ÜBER MIR WANDELN ? VON JENEN NARREN , DIE IHRE HERKUNFT VERGESSEN HABEN ? VON DEM GEWÜRM , DAS DIE LEHREN JENER VERGESSEN HAT , DIE DIESE REISE VOR IHNEN ANGETRETEN HABEN ? ALSO , WOVON BIST DU PRINZESSIN ? VON NICHTS , VON GAR NICHTS !
»Vielleicht seid Ihr es, die vergessen hat!«, fuhr Phryne wütend auf. Ihr Gesicht rötete sich. »Ihr wart eine von uns, bevor Ihr zu den Toten gingt. Vielleicht solltet Ihr Euch ins Gedächtnis rufen, dass diese Straße in beide Richtungen führt.«
DU BIST ARROGANT UND RESPEKTLOS . ICH SOLLTE DIR EIN ENDE MACHEN .
Phryne holte tief Luft und unterdrückte ihren Ärger. »Meine Königin«, sagte sie und sank auf ein Knie. »Verzeiht mir. Die Wut hat meine Worte bestimmt, und dafür entschuldige ich mich. Ich wusste nicht, dass Ihr es wart, bis Ihr mir Euren
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