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Die Leiche am Fluß

Die Leiche am Fluß

Titel: Die Leiche am Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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ausgestellt worden, und das gebündelte Scheinwerferlicht richtete sich nun erneut auf drei Frauen: Brenda Brooks, Julia Stevens, Eleanor Smith.

    Eine am Nachmittag des Vortags durchgeführte Durchsuchung im Hause Brooks hatte dramatische Erfolge gezeitigt. Einer der kleinen Schlüssel von Lewis’ Schlüsselring hatte ihnen den Gartenschuppen geöffnet. Plastiksäcke hatten sich dort ebensowenig gefunden wie Reste der dunkelgrünen Kordel, die zum Verpacken der Leiche verwendet worden war. Gefunden aber hatten sich Fasern von einem brauen Material, das dem Teppich, in den die Leiche von Edward Brooks eingerollt worden war, verdächtig ähnlich sah (und wie sich später herausstellen sollte, handelte es sich tatsächlich um Flusen von besagtem Teppichstoff).
    Daraufhin hatte man Brenda Brooks abends zum Verhör geholt und zweimal höflich darauf hingewiesen, daß man ihre Aussage schriftlich aufnehmen und gegebenenfalls später als Beweismaterial verwenden würde. Doch schon ein Hinweis wäre überflüssig gewesen, denn sie war so geschockt, daß sie überhaupt nichts sagte. Später hatte man sie dann, nachdem förmlich Anklage wegen Beihilfe zum Mord erhoben worden war, gegen Kaution freigelassen. Und das war, wie Morse fand, völlig in Ordnung, denn daß diese sanftmütige kleine Frau, sobald sie wieder auf freiem Fuß war, im Zuständigkeitsbereich der Thames Valley Police in einen Mordrausch verfallen könnte, war kaum vorstellbar.
    Er mochte Mrs. Brooks.
    Und er mochte auch Mrs. Stevens, in deren Garage am gleichen Tag ein Team der Spurensicherung eine ebenso dramatische Entdeckung gemacht hatte. Im Kofferraum eines klapprigen Volvo hatten sie Fasern von einem braunen Material gefunden, das dem Teppich, in den die Leiche von Edward Brooks eingerollt worden war, verdächtig ähnlich sah (und wie sich später herausstellen sollte, handelte es sich tatsächlich um Flusen von besagtem Teppichstoff).
    Morse hatte zufrieden genickt. Die beiden Frauen waren sehr umsichtig, sehr raffiniert vorgegangen. Aber selbst der raffinierteste Verbrecher kann nicht an alles denken. Früher oder später macht auch er einen kleinen, aber entscheidenden Fehler, und Morse konnte eigentlich nur froh darüber sein.
    Er war darüber auch froh.
    Er selbst hatte sich den Band aus der Stadtbücherei vorgenommen, den sie in Brooks’ Schlafzimmer gefunden hatten und dessen Ausleihfrist längst abgelaufen war, und mit Genugtuung vermerkt, daß zwei Seiten der Erzählung «Das zerbrochene Schwert» mit Eselsohren versehen waren. Stammten die Markierungen von Brooks? Lohnte es sich, Fingerabdrücke zu sichern? Nein, dieser Gedanke war wohl doch zu abwegig. Aber Morse nahm sich vor, bei nächster Gelegenheit die Erzählung noch einmal zu lesen. Schon jetzt war sein Blick an der einen oder anderen Zeile hängengeblieben, an die er sich aus seiner Jugend so gut erinnerte:

    Wo kickt ein Mann nach Kieselsteinen? Am Strand.
    Wo versteckt ein Weiser ein Blatt? Im Wald...

    Ja, es ging gut und zügig voran.
    Noch stand die Zustellung eines dritten Haftbefehls aus. Des Haftbefehls für Miss Eleanor Smith, die Morse in einem höchst beklemmenden Traum erschienen war. Er hatte sie (von wo denn nur, um Himmels willen?) dabei beobachtet, wie sie, äußerst dürftig bekleidet, einem lüsternen Yuppie auf der Rückbank eines BMW Avancen gemacht hatte, und Ekel und Eifersucht hatten ihn gepackt.
    Er hatte schon bessere Nächte, bessere Träume gehabt.
    Aber wie das Leben so spielt: Zehn Minuten nach Lewis’ Rückkehr am Dienstag nachmittag kam ein Anruf vom Empfang, der den Herzschlag von Chief Inspector Morse stark beschleunigte.

68

    Sie kehrt’ sich weg, doch da der Herbst sich nahte, Beherrscht’ sie meine Phantasie gar viele Tage,
    Viele Tage und viele Stunden.
    (T. S. Eliot, La Figlia Che Piange)

    Sie schloß die Beifahrertür und bat den Fahrer, zehn Minuten — nicht länger — auf der Zufahrtsstraße zu warten. Dann solle er sie abholen.
    Rasch ging sie an dem blauen Schild mit der weißen Aufschrift «Thames Valley Police, Präsidium» vorbei und die ziemlich lange Auffahrt hoch, die zu dem Klotz aus Backstein und Beton führte.
    Am Empfang brachte sie ihr Anliegen vor.
    «Erwartet er Sie, Miss?» fragte der Diensthabende.
    «Nein.»
    «Darf ich fragen, worum es sich handelt?»
    «Um einen Mord.»
    Der grauhaarige Beamte sah sie neugierig an. Irgendwie kam sie ihm bekannt vor, aber er konnte sie nicht unterbringen. Dann sagte er Morse

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