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Die Leiche am Fluß

Die Leiche am Fluß

Titel: Die Leiche am Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Bescheid.
    «Soll reinkommen, Bill, ich hole sie gleich ab.»
    Bill trug ihren Namen ins Besucherbuch ein und betätigte den Türöffner. Sie hatte ein kleines Päckchen bei sich, und er nahm sich vor, es im Auge zu behalten. Strenggenommen hätte er sie nicht ohne Durchsuchung hereinlassen dürfen, aber er hatte auf diesem Posten einen gewissen Ermessensspielraum, und nach einer Terroristin sah sie eigentlich nicht aus. Eher nach einer erfolgreichen Handelsvertreterin. Und Chief Inspector Morse kam sie offenbar nicht ungelegen.
    «Wenn Sie hier Platz nehmen wollen, Miss...?»
    Ellie Smith ging über den dunklen Marmorboden zu einem kleinen quadratischen, mit blauem Teppichboden ausgelegten Warteraum. An der Wand waren farblich darauf abgestimmte Sessel aufgereiht. Sie setzte sich und musterte die zahlreichen Plakate mit Merksätzen wie «Taschendiebe sind überall!», dem Bild eines Streifenwagens, der sich durch die Fluten einer Überschwemmung kämpft, und dem eines freundlichen Bobbys, der in einem Dorf mit der Frau eines Farmers plaudert. Gegenüber hing eine große Landkarte, die —
    Doch an dieser Stelle mußte sie die Besichtigung abbrechen. Über die weiße Marmortreppe zu ihrer Linken kam ein Mann mit weißen Haaren auf sie zu.
    «Schön, daß Sie da sind», sagte Morse. «Kommen Sie bitte mit nach oben.» (Widerwillig mußte er an einen Haftbefehl denken, dessen Vollstreckung noch ausstand.)
    «Nein, danke, ich werde gleich wieder abgeholt.»
    «Aber wir können Sie doch nach Hause bringen ... Ich kann Sie nach Hause bringen.» (Morse hatte den unangenehmen Gedanken bereits erfolgreich vertrieben.)
    «Nein. Tut mir leid.»
    Morse setzte sich neben sie. «Warum sind Sie gekommen?»
    «Sie haben Mum hier gehabt und sie auf Kaution wieder laufenlassen, nicht? Sie hat mir alles erzählt. Und nun wollte ich einfach mal wissen, wie das weitergeht mit ihr. Und mit mir.»
    «Gegen Ihre Mutter ist im Zusammenhang mit dem Mord an Ihrem Stiefvater Anklage erhoben worden», sagte Morse behutsam. «Sie müssen Verständnis dafür haben, wenn im Augenblick...»
    «Sie hat mir gesagt, daß Sie mich auch verhaften würden. Stimmt das?»
    «Hier können wir nicht in Ruhe reden. Wollen Sie nicht doch...»
    Sie schüttelte den Kopf. «Solange ich noch nicht verhaftet bin... Außerdem ist es mir in Ihrem Büro zu riskant. Sie erinnern sich?»
    Morse wählte seine Worte sorgfältig. «Was Ihre Mutter betrifft, sieht es im Augenblick leider so aus, daß sie möglicherweise tatsächlich in den Mord an Ihrem Stiefvater verwickelt war.»
    «Na gut, wenn Sie’s mir nicht sagen wollen...» Sie stand auf, und Morse folgte ihrem Beispiel. Sie streckte ihm das Päckchen hin, das sie in der rechten Hand hielt.
    «Für Sie.»
    «Was ist das?»
    «Versprechen Sie mir eins?»
    «Falls ich das kann...»
    «Daß Sie es erst aufmachen, wenn Sie heute abend zu Hause sind.»
    «Wenn Sie meinen...»
    Morse war plötzlich sehr gerührt, hilflos und aufgewühlt.
    «So, das war’s. Mehr wollte ich eigentlich nicht.»
    «Ich rufe Sie an, wenn ich es aufgemacht habe. Versprochen!»
    «Erst, wenn Sie zu Hause sind...»
    «Erst, wenn ich zu Hause bin.»
    «Meine Nummer haben Sie sich ja aufgeschrieben, nicht?»
    «Die weiß ich auswendig.»
    «Ich muß los. Hoffentlich gefällt’s Ihnen», brachte sie mit einiger Mühe heraus. Sie strich mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand über das Antoniusbild. Einen Augenblick sah es so aus, als könnte es doch noch zu einem Abschiedskuß kommen, aber in diesem Moment trat der stellvertretende Polizeichef an den Empfang und winkte Morse freundlich zu.
    Sie drehte sich um und ging.
    Draußen fuhr ein roter BMW vor, und sie stieg ein. Während sie sich angurtete, warf sie noch einen letzten wehmütigen Blick zurück.

    «Schade, daß Sie sie nicht mitgebracht haben, Sir. Sie hat sich enorm rausgemacht, nicht?»
    Morse machte rasch die Tür zu und antwortete nicht. Sein Leben schien ihm plötzlich freudlos und leer.
    «Kaffee?» fragte Lewis, dem in diesem Moment wohl manches klar wurde.
    Morse nickte.
    Als Lewis draußen war, hielt er es nicht mehr aus.
    In dem mit Glockenblumen bedruckten Geschenkpapier war eine sanft gerundete kleine silberne Taschenflasche.

    Der beigelegte Brief hatte keine Anrede:

    Meine Mum hat mich antelefoniert und mir alles erzählt, aber sie hat ihn nicht umgebracht, das weiß ich am besten, weil ich es war. Schreiben kann ich das nicht so richtig, aber ich finds schade, daß wir

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