Die Leichenuhr
effizient.«
»Eben.«
Suko sprach weiter, und er unterstrich seine Worte durch Handbewegungen. »Es ist ja nicht gesagt, daß er mit Dingen zusammenhängt, die du schon erlebt hast. Es kann etwas sehr Persönliches sein, das tief in deinem Innern vergraben ist. Du weißt selbst, daß die Seele des Menschen das Rätselhafteste ist, das man sich auf der Welt vorstellen kann. Neben dem Gehirn natürlich.«
»Seele«, murmelte ich.
»Wobei wir beim Thema wären.«
»Soll ich weit zurückgehen, nicht mehr in der Gegenwart bleiben und tief in die Vergangenheit tauchen?«
Suko lächelte. »Ich schätze, daß du dich auf dem richtigen Weg befindest, Alter.«
»Eine Vergangenheit, die längst hinter mir liegt und die ich nicht als John Sinclair erlebt habe?«
»Das ist sehr persönlich.«
»Und darauf wolltest du hinaus.«
»Ja.«
»Weiter!« forderte ich.
»Hector de Valois, Richard Löwenherz, deine Templer-Zeiten, John.«
Ich winkte ab. »Hör auf, Mann! Wie sich das schon anhört! Deine Templer-Zeiten!«
»Liege ich da so falsch?«
Ich schwieg, was so gut wie ein Eingeständnis war. Wenn ich näher darüber nachdachte, mußte ich zugeben, daß mein Freund gar nicht so falsch lag. Denn meine Wiedergeburten waren nun mal sehr persönliche Angelegenheiten. Die Erinnerung daran kann durchaus in meinen Träumen aufgefrischt werden.
»Nun, Mister Geisterjäger…«
»Gar nicht so schlecht. Das wäre eine Möglichkeit, eine Basis. Ich werde sie ins Kalkül ziehen.«
»Untertreibe nicht. Du mußt sie einfach in Betracht ziehen. Du mußt damit leben, und ich bin sicher, daß sich die Vergangenheit immer mehr in die Karten schauen läßt. Da kommt etwas auf dich zu, für daß ich keine Erklärung habe.«
»Ich auch nicht.«
»Nur wirst du ihm nicht entgehen können.«
»Das mag sein«, gab ich zu.
»Es ist sogar so.«
Wir diskutierten noch eine Weile, und ich merkte kaum, wie die Zeit verging. Zudem schaffte es Suko immer wieder, mich in faszinierende Theorien zu verstricken, über die ich erst einmal nachdenken mußte. Für ihn war es nichts anderes als ein Umkehrprozeß, der mit meiner Wiedergeburt zu tun hatte.
»Ich glaube fest daran, John, daß in der tiefen Vergangenheit irgend etwas stattgefunden hat, das damals nicht gelöst werden konnte. Es hat aber eine Lösung geben müssen, und deshalb hat man sich einfach an dich gehalten. Oder liege ich da so falsch?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Du willst keine haben, aber du kannst dich auch nicht dagegen wehren. Du bist mit der Vergangenheit konfrontiert worden, und vielleicht mußt du sogar für deren Sünden zahlen.«
»So schlimm wird es schon nicht werden.« Ich gähnte, was Suko zu einem Lachen verlockte.
»Wunderbar«, sagte er und stand auf, wobei er auf seine Uhr schaute.
»Wir haben gleich Mitternacht. Die Zeit ist vorbeigehuscht. Du bist müde, ich ebenfalls, und ich bin gespannt, was du mir am nächsten Morgen berichten kannst.«
»Vielleicht gar nichts.«
»Das bleibt abzuwarten.«
Ich brachte Suko noch zur Tür. Er blieb davor stehen und machte ein ernstes Gesicht. »Wie man es auch dreht und wendet, John, dein Traum ist nicht so leicht zu verkraften. Auch ich hätte meine Mühe damit gehabt. Ich rate dir nur, vorsichtig zu sein. Nimm ihn um Himmels willen nicht auf die leichte Schulter.«
»Keine Sorge. Es ist trotzdem nur ein Traum.«
Mein Freund hob die Schultern, wünschte mir noch eine gute Nacht und verschwand nach nebenan. Ich wartete, bis sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, und ging wieder zurück in meine Wohnung. Das Gespräch mit Suko hatte zwar nicht viel gebracht, ich war auch nicht ruhiger geworden, es tat trotzdem gut, einen Freund in der Nähe zu wissen.
Träume sind Schäume, so heißt es manchmal. Ich allerdings wollte daran nicht so recht glauben. In meinem Fall waren sie mehr als Schäume, da hatten sie möglicherweise ein direktes Zeichen gesetzt, und es konnte durchaus sein, daß dieser Traum so etwas wie eine Offenbarung für die Gegenwart oder die nahe Zukunft war. Ich war sehr nachdenklich, während ich mich auszog. Als ich nach der Toilette im Bett lag, ließ ich das Licht auf der Konsole brennen, worüber ich selbst lachen mußte, denn ich kam mir vor wie eine ängstliche alte Jungfer, die Furcht vor dem Einschlafen hatte und trotzdem darauf hoffte, daß ihr Traumprinz erschien, um sie aus ihrem Zustand zu erlösen.
Ich wartete auf den Schlaf.
Komisch, vorhin war ich müde gewesen, doch nun
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