Die Leichenuhr
strich mit der Hand über die Bettmitte. Es kam ihm so vor, als hätte das Laken noch die Körperwärme der Schlafenden gespeichert, demnach konnte Lizzy noch nicht lange fort sein.
Er tastete weiter und erschrak.
Seine rechte Hand war naß geworden.
Er zog sie zurück, ließ sie an einer Stelle auf dem Laken liegen und fühlte erneut.
Das Laken war nicht nur naß, es war auch irgendwie glitschig, und da fühlte sich etwas an wie Pudding.
Die Kehle des jungen Mannes verengte sich. Sein Unterbewußtsein meldete sich und schickte ihm eine Warnung zu. Es war am besten, wenn er nicht näher nachschaute und auch kein Licht machte. Sich umdrehen und den Wohnwagen so schnell wie möglich verlassen, das war die Parole. Angst peitschte durch seinen Körper.
Er richtete sich wieder auf. Sein Herz schlug jetzt bedeutend schneller.
Er brachte seine Hand dicht vor die Augen und sah, daß die Fläche dunkel war.
Eine dunkle Flüssigkeit also.
Etwa Blut?
Bei diesem Gedanken rebellierte sein Magen. Jules fing an zu schlucken, und der Drang, den Wagen zu verlassen, verstärkte sich immer mehr.
Das war kein guter Platz mehr. Nicht zu vergleichen mit dem der beiden letzten Nächte. Es war am besten, wenn er verschwand und Lizzy am folgenden Tag zur Rede stellte. Lebte sie überhaupt noch?
Auf Zehenspitzen zog sich Jules Vangard zurück. Seine rechte Hand war noch immer feucht und glatt. Zwischen dem Schmier spürte er einige Haare, die über seine Haut kratzten. Er traute sich allerdings nicht, seine Hand irgendwo abzuwischen, auch nicht an seiner Kleidung. Die Tür öffnete er mit der Linken und war wenig später froh über die frische Luft.
Den Wohnwagenmief ließ er hinter sich. Leise stieg er die Stufe hinab.
Er tauchte in die Stille ein und empfand diese Ruhe schon als unnormal.
Das war keine nächtliche Stille, wie er sie kannte. Hier hatte sich etwas verändert. Sogar von einer Stunde zur anderen, denn vor Mitternacht war sie ihm noch nicht so bedrückend vorgekommen. Jules dachte abermals an die Warnungen seiner Freundin.
Er schüttelte sich, ohne das beklemmende Gefühl zu verlieren. Es blieb in ihm, es war wie eine innere Klammer. Er wußte, daß etwas passiert war, nur erkennen konnte er nichts. Über den abgestellten Wagen und Buden lastete ein bedrückendes Schweigen. Es mochte auch an dem Schatten liegen, der über ihn fiel.
Jules schaute nach links. In unmittelbarer Nähe des großen Kuriositäten-Baus fühlte er sich nicht wohl.
Dieses Gebilde strahlte etwas aus, das ihm nicht behagte. Hätte er es in Worte fassen sollen, es wäre ihm kaum gelungen. Das war einfach da, es war anders als die Dunkelheit der Nacht. Jules kam es sogar vor, als wären die tiefen Schatten mit einem bösen Leben erfüllt.
Als eine leichte Windböe über den Platz wehte, hörte er das leise Rascheln der Blätter. Das Laub war erfaßt und in die Höhe geschleudert worden. Es wehte an ihm vorbei.
Jules Vangard hörte die Schritte!
Er blieb auf der Stelle stehen, konzentrierte und spannte sich. Die Angst saß tief wie ein Stachel in ihm. Vorsichtig schaute er nach links.
Die Gestalt war kaum zu erkennen, obwohl sie in seiner Nähe vorbeihuschte. Ihm kam es vor, als würde er auf der Stelle einfrieren. Er hatte sie erkannt, er wollte ihr etwas nachrufen, seine Stimme versickerte jedoch schon im Ansatz. Nur mit den Augen hatte er Lizzy verfolgen können. Er wußte jetzt, welchen Weg sie genommen hatte. Sie war auf die Rückseite des Kuriositätenkabinetts zugelaufen.
Wenig später hörte er ein leises Knarzen. Da hatte sich tatsächlich eine Tür bewegt.
Jules wußte Bescheid. Lizzy hatte tatsächlich um die Zeit den Wagen betreten, und er fragte sich, was das nun wieder sollte. Wieso ging sie nach Mitternacht dort hinein? Er dachte wieder an ihre Warnung. Hinter seiner Stirn hämmerte es. Er spürte den Druck im Magen und auch hinter den Augen. Jules überlegte, ob er ihr nachgehen sollte. Er dachte an die Nächte mit ihr und glaubte fest daran, daß es in dieser Nacht nicht mehr dazu kommen würde. Er wollte wenigstens mit Lizzy reden.
Er bückte sich und holte ein Taschentuch hervor. Ein Feuerzeug ebenfalls, das er anschnickte und die kleine flackernde Flamme dicht neben seine rechte Handfläche hielt. Er wollte den Schmier endlich sehen.
Es war kein Schmier, es war Blut!
Plötzlich ekelte ersieh. Dickes Blut, sogar die dunklen Haare entdeckte er darin. Jules schüttelte den Kopf. Er dachte daran, daß er in das Bett
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