Die Leichenuhr
Fläche, und auf einem dieser Flecken stand auch Lizzys Wohnwagen.
Er war nicht mehr als ein heller Kasten in der Dunkelheit, hinter dessen Fenstern kein Licht schimmerte. Vier Fenster hatte das Gefährt insgesamt, auf jeder Seite eins, wobei ein Fenster direkt neben der Tür lag. Dort wollte der nächtliche Schleicher hin.
Stille lag über dem Platz. Selbst die Hunde schlugen nicht an. Sie hatten sich vor der Kühle verkrochen, was Jules natürlich gefiel, und als er auf die Uhr schaute, da hatte er zugleich den Wagen seiner Angebeteten erreicht.
Genau Mitternacht!
Er lächelte, obwohl ihm Lizzys Warnung einfiel. Die konnte sie sich in die Haare schmieren. Er mußte zu ihr! Vielleicht konnte er sie von diesem Zirkus wegholen und mit ihr in eine andere Stadt verschwinden, in eine Großstadt, wo sie anonym leben konnten.
Vor sich sah er die Tür. Sie war längst nicht so breit wie eine normale Tür, nur ein schmaler Durchgang.
Ob Lizzy Lamotte abgeschlossen hatte, wußte er nicht. Am liebsten wäre er in den Wagen hineingestürzt, das aber verbot ihm seine Höflichkeit und auch die Vorsicht.
Er klopfte. Dabei erschrak Jules, denn seiner Meinung nach war das Geräusch bis an den Rand des Platzes zu hören gewesen. Unwillkürlich duckte er sich und wartete lauernd ab, doch er hatte Glück. Nicht einmal ein Hund regte sich, geschweige denn ein Mensch.
Jules war zufrieden und befand sich auch in der Stimmung, die Tür zu öffnen. Die Klinke klemmte ebenso wie die Tür. Mit viel Kraft zerrte er sie auf. Dann stand sie offen. Sein Blick fiel in den dunklen Wagen. Für einige Sekunden blieb er unbeweglich auf dem Fleck stehen, er zischelte auch den Namen seiner Angebeteten und war enttäuscht, daß sie ihm keine Antwort gab. Wahrscheinlich schlief sie schon.
Wer schläft, der träumt oft, dachte Jules. Und er führte den Gedanken weiter. Vielleicht sogar von mir, denn als Liebhaber war er nicht schlecht gewesen. Das hatten ihm auch schon andere weibliche Wesen mehr als einmal bestätigt.
Die aber waren vergessen, als er den Wohnwagen betrat und die Tür hinter sich schloß. Er blieb zunächst einmal stehen, leicht geduckt, sonst wäre er mit dem Kopf gegen die Decke gestoßen. Jules kannte sich aus.
Er wußte, daß er nach links gehen mußte, um das Bett der zweiundzwanzigjährigen Lizzy zu erreichen. Obwohl der Wagen ziemlich klein war, hatte ihn Lizzy noch einmal durch einen Quervorhang unterteilt, den sie zuzog, wenn sie schlief. In dieser Nacht war er offen.
Das wiederum irritierte den ungebetenen Besucher. Es war nicht so stockfinster im Wagen, als daß er nichts hätte erkennen können. Durch die Fenster sickerte das Sternenlicht, so daß er gewisse Umrisse ausmachen konnte.
Auch das Bett sah er. Es war ein altes Metallbett, das stabil war, wie Jules wußte. Nur konnte er nicht sehen, ob auf dem Bett jemand lag.
Er ging näher, und mit jedem Schritt wuchs seine Enttäuschung. Als er vor dem Bett stehenblieb, bekam er die Wahrheit präsentiert.
Das Bett war leer!
Jules fluchte nicht, er atmete nicht einmal lauter. Die Enttäuschung jedoch machte ihm schwer zu schaffen.
Wieso war das verdammte Bett leer?
Weil Lizzy nicht im Wagen war, gab er sich selbst die Antwort. Er fragte sich aber gleich, wo sie um diese Zeit wohl stecken konnte, und die Eifersucht fing an, in seinem Innern zu nagen. Er spürte, daß er einen roten Kopf bekam. Seine Hände wurden feucht. Jules erinnerte sich an die Warnungen seiner Freundin, sie nie nach Mitternacht zu besuchen.
Er war gekommen, hatte das Bett leer vorgefunden, und Lizzy steckte wahrscheinlich bei einem anderen Liebhaber, womöglich bei einem Typ vom Zirkus, denn unter ihnen gab es einige verflixt heiße Burschen, wie er mittlerweile wußte. Selbst Direktor Baresi hatte ein Auge auf die Kleine geworfen, das hatte ihm Lizzy gestanden.
Im Wagen war es stickig. Er schnupperte. Der Geruch erinnerte ihn an Lizzys Parfüm, aber war da nicht noch ein anderer Geruch, der den ersten beinahe überlagerte?
So muffig und alt, beinahe schon modrig, als würde im Wagen Aas liegen. Jules schüttelte sich, als er daran dachte. Der Gestank blieb in seiner Nase. Eine Sinnestäuschung war es nicht.
Neben dem Bett stand ein Hocker. Dort hatte die kleine Lampe mit dem gelben Schirm ihren Platz gefunden. Jules Vangard überlegte, ob er sie einschalten sollte, um mehr zu erkennen, aber das brauchte er nicht.
Was er herausfinden wollte, das konnte er auch im Dunkeln ertasten. Er
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