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Die Leiden eines Chinesen in China

Die Leiden eines Chinesen in China

Titel: Die Leiden eines Chinesen in China Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Peking zurückkommen würde.
    Im Himmlischen Reiche ist es nicht gebräuchlich, daß sich Witwen zum zweiten Male verheirathen, nicht etwa, daß sie das nicht ebensogut wünschten wie ihre in gleicher Lage befindlichen Schwestern im Abendlande, aber weil sie wenig Männer finden, welche auf eine Witwe reflectiren. Wenn Kin-Fo von dieser Regel eine Ausnahme machte, so kam es eben daher, daß er überhaupt seine eigenen Wege zu gehen liebte. Vermählte sich Le-U wieder, so begab sie sich damit freiwillig des Rechtes, unter den »Pae-lus« hinweg gehen zu dürfen, jenen Denkmälern, welche mancher Kaiser zu Ehren der ihren verstorbenen Ehemännern treu verbliebenen Frauen errichten ließ: wie z.B. die Witwe Soung, die niemals zum Verlassen des Grabes ihres verewigten Mannes zu bewegen war, die Witwe Kung-Kiang, die sich beim Tode ihrer stärkeren Hälfte einen Arm zerbrach, oder die Witwe Yen-Tchiang, welche sich aus Schmerz das hübsche Gesicht völlig entstellte. Le-U glaubte aber bei ihren einundzwanzig Jahren noch etwas besseres anfangen zu können. Sie entschloß sich, das unterwürfige Leben noch einmal zu beginnen, zu dem die chinesische Sitte jede Frau verdammt, auf die Dinge der Außenwelt zu verzichten und sich den Vorschriften des Buches »Li-nun«, das von den häuslichen Tugenden handelt, ebenso getreulich zu unterwerfen, wie denen des Buches »Nei-tse-pien« über die ehelichen Pflichten, um endlich jene Achtung wieder zu erwerben, welche in den höheren Gesellschaftsclassen die Gattin stets genießt, während es eine gänzlich falsche Vorstellung ist, zu glauben, daß sie ein Leben gleich einer Sklavin führe. Die intelligente, wohlunterrichtete Le-U, die recht gut wußte, welche Aufgabe ihr in dem Hause des reichen Sonderlings bevorstand, und danach strebte, ihm den Beweis zu liefern, daß es ein Glück auch schon hienieden gebe, ergab sich also nicht ungern dem ihr zugefallenen Lose.
    Bei seinem Ableben hatte der Gelehrte die junge Witwe zwar in gesicherten, aber doch nur mittelmäßigen Umständen zurückgelassen. Das Haus in der Cha-Chua-Allee war nur ein bescheidenes Besitzthum. Die unausstehliche Nan schaltete hier als einzige Dienerin; Le-U hatte sich jedoch allzu sehr an ihre unangenehmen Manieren gewöhnt, welche übrigens bei den chinesischen weiblichen Dienstboten gar nichts seltenes sind.
    In ihrem Boudoir hielt sich die junge Frau mit besonderer Vorliebe auf. Dessen Ausstattung wäre ohne die reichen Geschenke, welche seit zwei Monaten in kurzen Zwischenräumen eintrafen, eine einfache zu nennen gewesen. An den Wänden hingen einige Bilder unter Anderem ein Meisterwerk des alten Malers Huan-Tse-Neu, 2 das die Aufmerksamkeit jedes Kenners erregt hätte, zwischen grünen Pferden, violetten Hunden und blauen Bäumen von jüngeren einheimischen Meistern. Auf einem lackirten Tische lagen, wie ungeheure Schmetterlinge mit ausgebreiteten Flügeln, viele Fächer aus der berühmten Schule von Swatow. Aus schwebenden Porzellanvasen hingen lange, zierliche Guirlanden von künstlichen Blumen herab, die aus dem Marke der »
Arabia papyfera
« von Formosa so prächtig hergestellt werden, und die mit den weißen Nymphäen, dem gelben Chrysanthemum und den rothen Lilien wetteiferten, welche sich aus hölzernen, kunstreuh geschnitzten Blumenständern erhoben. Ueber das Ganze drang durch die Bambus-Jalousien der, Fenster nur ein gedämpftes Licht, dessen einzelne Strahlen gleichsam zerlegt erschienen. Ein prächtiger Ofenschirm aus großen Sperberfedern, die sinnreich angeordnet mit ihren helleren Stellen eine große Päonie bildeten – das Emblem der Schönheit im Reiche der Blumen – zwei Volièren in Form von Pagoden, wahrhafte Kaleidoskope durch die glänzenden, darin umherflatternden Vögel Indiens, einige »Tiemaols«, das sind Aeolsharfen, deren Glasstränge im sanften Luftzuge erklangen, und tausend Kleinigkeiten, die sie an den abwesenden Geber erinnerten, vervollständigten die eigenartige Ausstattung dieses Raumes.
    »Noch kein Brief, Nan?
    – Nein, Madame, noch immer keiner!«
    Die junge Le-U war wirklich eine reizende, Frau Hübsch von Gesicht selbst vor dem Urtheil europäischer Augen, weiß und nicht gelb, wie ihre Landsmänninnen, erhoben sich ihre sanften Augen kaum nach den Schläfen, zierten sie dunkle volle Haare, welche grüne Malachitnadeln zusammenhielten, kleine weiße Zähne und regelmäßige Augenbrauen, denen sie kaum mit ein wenig seiner, chinesischer Tusche nachgeholfen hatte.

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