Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood
werden könnte. Aber sie wollte nicht in diesem Loch sterben. Sie verspürte eine tiefe, starke Sehnsucht, den Himmel zu sehen.
Die Bewacher entfernten sich weiter treppaufwärts, und John riss noch heftiger an seinen Ketten. »Ihr verfluchten Mistkerle, ihr schnappt euch eine Handvoll Geiseln und glaubt, ihr könntet die ganze Welt beherrschen!«
»Immer mit der Ruhe, John«, mahnte Lily.
John geriet jetzt in Rage; sein Gesicht färbte sich purpurrot. »Verdammte Feiglinge! Ihr könnt euren Job nicht mal richtig zu Ende bringen, dazu seid ihr wohl nicht Manns genug …«
Severo drehte sich um und schoss mit seiner Armalite. Die Salve dröhnte laut in dem geschlossenen Raum. Johns Körper erzitterte, als ihn die Kugeln trafen. Eine erwischte ihn im Gesicht, das zu blutigem Matsch implodierte.
»John!«, schrie Gary. »O Gott, o Gott!«
»Kein Feigling«, sagte Severo, die Zigarette im Mund. Dann folgte er den anderen die Treppe hinauf, bis er aus Lilys Blickfeld verschwunden war.
John hing schräg über dem Stuhl. Auf dem Boden bildete sich eine dickflüssige Blutlache. Helen beugte sich über ihr Baby, drückte es fest an sich, schaukelte hin und her, als existierte sonst nichts auf der Welt. Piers wandte den verhüllten Kopf ab und sackte in sich zusammen.
Gary saß vornübergebeugt da und weinte Tränen des Schocks. Lily, die nur ein paar Meter von ihm entfernt angekettet war, kam nicht an ihn heran.
John war in mancherlei Hinsicht ein Arschloch gewesen, aber Lily kannte ihn nun seit vier Jahren. Jetzt war er tot, von einer Sekunde auf die andere - vor ihren Augen erschossen. Noch schlimmer, ausrangiert . Nicht mehr von Wert für diejenigen, die sie in ihrer Gewalt hatten. Und das bedeutete: alle anderen hier auch nicht.
»Es ist vorbei.« Helen sprach zum ersten Mal, seit sie hierhergebracht worden waren. Sie drückte das Baby an die Brust, ihr Kinn ruhte auf Graces Kopf. »Ich habe recht, nicht wahr?« Sie hatte einen forschen, nordenglischen Akzent. Sie war Sprachlehrerin gewesen.
»Das kann man nicht wissen«, sagte Lily mit Nachdruck. »Vielleicht hat sich irgendeine andere Gruppe bei der Übergabe verspätet, das ist alles.«
»Sie haben John getötet«, keuchte Gary mit schwerer Stimme.
»Und diese verfluchte Laterne geht aus«, sagte Helen. »Schaut euch das an! Die Mistkerle konnten uns nicht mal eine frische Batterie geben. Sie lassen uns hier im Dunkeln sitzen, mit einer stinkenden Leiche. Wir werden hier hocken, bis wir verschimmeln.«
»O Jesus Christus«, wimmerte Gary. Und Lily hörte ihn leise stöhnen. Sie wusste, was das bedeutete: Seine Blase hatte sich entleert.
»So weit wird es nicht kommen«, fauchte sie. »Sehen wir zu, dass wir diese Ketten loswerden.« Sie zog versuchsweise an ihrer. Der Heizkörper war fest mit der Steinwand verschraubt. »Schaut euch um, bevor das Licht ausgeht. Hier unten muss es doch irgendwas geben, was wir hernehmen können …«
»Wie wär’s mit Bolzenschneidern?«
2
Die neue Stimme gehörte einem Mann, der Englisch sprach, und kam von der Treppe. Sie beugten sich alle vor, um dorthin zu blicken. Selbst Piers drehte das verhüllte Gesicht in die Richtung.
Taschenlampen leuchteten auf. Lily hob ihre nicht angekettete Hand, um die Augen zu beschirmen. Sie erkannte zwei, drei, vier Personen, die die Treppe zur Krypta herunterstiegen. »Wer ist da? Wer sind Sie? ¿Como se llaman ustedes? ¿Me pueden ayudar, por favor? Me llamo …«
»Sie sind Lily Brooke, stimmt’s? Captain der USAF, Dienstnummer …«
»Sagen Sie mir, wer Sie sind!«
Der Mann, der nun vor ihr stand, leuchtete sich mit der Taschenlampe ins Gesicht. Er war schwarz, vielleicht vierzig Jahre alt, hochgewachsen und breitschultrig, und trug eine Art Kampfanzug mit purpurrotem Barett und einem Abzeichen auf dem Schulterstück: die Erdkugel in einer hohlen Hand. »Mein Name ist George Camden.«
»Sie sind Engländer. Militär?«
»Eine private Sicherheitstruppe. Ich arbeite für AxysCorp.« Er tippte auf das Schulterabzeichen. »Ich bin hier, um Sie rauszuholen. Sie sind jetzt in Sicherheit.« Er lächelte.
In Lilys Innerem rührte sich nichts. Sie verspürte keinerlei
Erleichterung. Sie glaubte ihm nicht. Angespannt und wachsam wartete sie darauf, dass die Falle zuschnappte.
»AxysCorp«, sagte Gary. »Johns Firma.«
Camden leuchtete ihn mit der Taschenlampe an. »Sie sind Gary Boyle von der NASA? Ja, John Foreshaw ist für uns tätig. Wir arbeiten mit den Friedenswächtern
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