Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood
verbesserte Gary ihn milde. »Jetzt sind wir wieder wir.«
»Ja. Na klar. Glückwunsch. Ihr seid beide Amerikaner, oder?«
»Ich nicht«, sagte Lily. »Halb Engländerin, halb Amerikanerin. In Fulham geboren und aufgewachsen.«
»Okay. Was dagegen, dass ich das mache?« Er drückte auf einen Knopf. Das kleine Sternenbanner rollte sich um die Fahnenstange und verschwand mit ihr in der Karosserie des Wagens. »Der größte Teil unserer Aufträge kommt von der Botschaft. Aber wir sagen denen nicht gern, dass ihre Fahne manche Leute zu Angriffen animiert.«
Gary zuckte mit den Achseln. »Von mir aus.«
Die Schlange bewegte sich ein paar Meter vorwärts, und der Fahrer nutzte die Gelegenheit, in eine weitere Seitenstraße abzubiegen. An deren Ende stießen sie auf die nächste Schlange.
»Die haben euch also in die freie Wildbahn entlassen, was? Ist bestimmt eine Erleichterung.«
»Kann man wohl sagen«, murmelte Gary.
Lily stimmte ihm zu. Sie hatten noch einige Verpflichtungen, vor allem einen Empfang bei Nathan Lammockson, dem Eigentümer und Generaldirektor von AxysCorp - jenem Unternehmen, das sie aus den Fängen der »Väter der Auserwählten« befreit hatte. Anschließend würde Lily an einer Besprechung mit hochrangigen USAF-Offizieren in Mildenhall in Suffolk teilnehmen müssen, um herauszufinden, ob sie in der Air Force noch eine Zukunft hatte. Doch bis dahin waren sie beide froh, die Ärzte und Berater los zu sein - und in Lilys Fall ein paar dringend notwendige Zahnbehandlungen hinter sich zu haben. Ein bisschen Freiheit war ihnen mehr als willkommen.
Der Fahrer schüttelte den Kopf. »Fünf Jahre an eine Heizung gekettet. Kann mir nicht vorstellen, wie das ist. Erstaunlich, dass ihr euch nicht gegenseitig umgebracht habt. Oder euch selbst. Allerdings sitze ich nun seit vier Jahren in diesem Wagen, und das fühlt sich manchmal genauso an. Und seit sechs Jahren bin ich verheiratet, was auf dasselbe hinausläuft, haha!« Er warf Lily einen Blick zu. »Also, ein Mädchen aus London. Hat sich nicht viel verändert, seit Sie weggegangen sind, oder? Im Grunde ändert sich nie viel.«
»Ich kann mich nicht erinnern, dass es damals auch schon so verdammt viel geregnet hat. Genau wie in Spanien. Dort, wo wir gefangen gehalten wurden, wissen Sie.«
Der Fahrer schnitt eine Grimasse. »Ach was. Bloß komisches Wetter. Allerdings konnten sie die reguläre Saison dieses Jahr nicht beenden. Die Fußballsaison, meine ich. Zum ersten Mal seit 1939. Zu viele Spiele mussten wegen des Regens abgesagt werden. Und Wimbledon ist in den letzten drei Jahren kein einziges Mal in den geplanten zwei Wochen über die Bühne gegangen. Einer der Jungs in der Taxigarage glaubt, dass es an den Chinesen liegt.«
»Was denn?«, fragte Gary.
»Der Regen, die Überschwemmungen. China trocknet aus, stimmt’s? Ist doch klar, dass die mehr Regen haben wollen, und zum Teufel mit uns anderen.«
Lily konnte nicht erkennen, ob er das ernst meinte oder nicht.
Erneut schob sich der Verkehr ein Stück vorwärts, und wieder schoss der Wagen durch eine Lücke und bog ab. Lily bemühte sich, ihre Route zu verfolgen. Sie fuhren ungefähr in südwestlicher Richtung und arbeiteten sich durch das
Straßenlabyrinth von Mayfair, nördlich von Green Park. Dann durchquerten sie Knightsbridge in Richtung Brompton Road.
Der Fahrer bemerkte, dass sie auf die Straßenschilder sah. »Keine Angst, meine Liebe, ich bringe Sie schon ans Ziel.« Es klang, als wollte er sich verteidigen.
»Das bezweifle ich nicht.«
»War früher mal Taxifahrer - so ein echtes Londoner Taxi. Hier verdiene ich mehr. Aber von damals kenn ich mich aus. Viele der regulären Routen kann man gar nicht mehr nehmen bei den ganzen Straßensperrungen und Überschwemmungen. Man tut halt sein Bestes. Die Hälfte der Kunden versteht das nicht, die denken, man will sie übers Ohr hauen. ›Sind Sie sicher, dass das der richtige Weg ist, Fahrer?‹ Deshalb hab ich damit Schluss gemacht. Die Arbeit bei der Agentur ist nicht so stressig. Oh, du verdammtes Arschloch …«
Der Fahrer drehte das Lenkrad abrupt nach rechts, um einem teuer aussehenden Wagen auszuweichen, der in einem öligen Wasserteppich ins Rutschen geriet und gegen eine Mauer krachte. Sie entgingen einem Zusammenstoß, mussten jedoch weitere fünf Minuten Stillstand ertragen, bis die Polizei das Unfallfahrzeug aus dem Weg geräumt hatte.
Ein Stück weiter vorn war die Fahrbahn wegen umfangreicher Bauarbeiten blockiert. Der
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