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Die letzte Generation

Die letzte Generation

Titel: Die letzte Generation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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könnte, nicht wahr? Oder daß es aus dem Wasser herausschnellen kann, wie ich es gesehen habe.“
    Es war alles sehr fesselnd, aber Jan hatte andere Dinge im Kopf. Seine Augen schweiften über den riesigen Rumpf, um einen geeigneten Platz für seine kleine Zelle, den „Sarg mit Luftloch“, wie Sullivan sie getauft hatte, zu finden. In einem Punkt fühlte er sich sofort beruhigt. Was den Platz anbetraf, so würde hier Raum für ein Dutzend blinder Passagiere sein.
    „Das Skelett sieht fast fertig aus“, sagte Jan. „Wann werden Sie die Haut überziehen? Ich vermute, Sie haben Ihren Wal schon gefangen, denn sonst wüßten Sie nicht, wie groß Sie den Rumpf machen müßten.“
    Sullivan schien durch diese Bemerkung sehr belustigt zu sein.
    „Wir haben nicht die geringste Absicht, einen Wal zu fangen. Übrigens haben Wale kein Häute im eigentlichen Sinn des Wortes. Es wäre kaum möglich, eine Decke aus zwanzig Zentimeter dickem Speck über dieses Gerüst zu spannen. Nein, das ganze Ding wird mit Kunststoff belegt und dann sorgfältig angemalt. Wenn es fertig ist, wird niemand den Unterschied sehen können.“
    Dann, dachte Jan, wäre es doch für die Overlords das vernünftigste gewesen, Fotos aufzunehmen und das lebensgroße Modell auf ihrem Heimatplaneten selbst herzustellen. Aber vielleicht kehrten ihre Versorgungsschiffe leer zurück, und ein kleines Ding wie ein zwanzig Meter langer Pottwal würde kaum bemerkt werden. Wenn man so viel Kraft und so viele Hilfsquellen besaß, konnte einem nicht an kleineren Ersparnissen liegen.
     
    Professor Sullivan stand neben einer der großen Plastiken, die seit Entdeckung der Osterinsel für die Archäologie ein so großes Rätsel gewesen waren. Wen sie nun auch darstellen mochte, ob König, ob Gott, ihre blinden Augen schienen seinem Blick zu folgen, während er auf seine Arbeit schaute. Er war stolz auf sein Werk; es war bedauerlich, daß es bald für immer dem menschlichen Betrachter entzogen wurde.
    Dieses Gebilde hätte das Werk irgendeines wahnsinnigen Künstlers im Rauschgiftdelirium sein können. Und doch war es eine sorgfältige Kopie des Lebens: Hier war die Natur selbst die Künstlerin. Dieses Schauspiel hatten bis zur Entwicklung des Unterwasserfernsehens nur wenige Menschen jemals gesehen, und selbst dann nur für Sekunden bei den seltenen Gelegenheiten, wenn diese riesigen Gegner sich zur Oberfläche hinaufarbeiteten. Diese Kämpfe wurden in der endlosen Nacht der Ozeantiefen ausgefochten, wo die Pottwale ihre Beute erjagten, eine Beute, die sich heftig dagegen wehrte, lebend verschlungen zu werden.
    Der lange, mit Sägezähnen besetzte Unterkiefer des Wals war weit geöffnet, bereit, die Beute zu packen. Der Kopf des Riesenpolypen war fast versteckt unter dem Netzwerk von weißen, schwammigen Armen, mit denen er verzweifelt um sein Leben kämpfte. Bläuliche Saugmale mit einem Durchmesser von zwanzig Zentimetern oder mehr hatten die Haut des Wals überall da, wo diese Arme sich angeklammert hatten, gefleckt … Ein Fangarm war schon verstümmelt, und über den endgültigen Ausgang des Kampfes konnte es keinen Zweifel geben. Wenn die beiden größten Tiere der Erde miteinander kämpften, war der Wal immer der Sieger. Trotz der ungeheuren Kraft der unzähligen Fangarme lag die einzige Hoffnung des Polypen darin, zu entkommen, bevor der geduldig mahlende Kiefer ihn in Stücke zersägt hatte. Seine großen, ausdruckslosen Augen, einen halben Meter voneinander entfernt, starrten seinen Vernichter an, obwohl höchstwahrscheinlich in der Finsternis der Tiefe kein Geschöpf das andere sehen konnte.
    Das ganze Ausstellungsstück war über dreißig Meter lang und jetzt von einem Aluminiumkäfig umgeben, an dem der Hebekran befestigt war. Alles war bereit, man wartete nur auf die Weisung der Overlords. Sullivan hoffte, daß sie schnell handeln würden; der Aufschub begann unbehaglich zu werden.
    Jemand war aus dem Büro in den hellen Sonnenschein hinausgetreten, offenbar um ihn zu suchen. Sullivan erkannte seinen Sekretär und ging ihm entgegen. „Nun, Bill, was ist los?“
    Der andere hielt ein Fernschreiben in der Hand und sah sehr erfreut aus. „Gute Nachricht, Herr Professor. Man ehrt uns. Der Oberkontrolleur möchte selbst herkommen und sich unser Werk ansehen, ehe es verfrachtet wird. Denken Sie nur, was das für eine Reklame für uns ist! Das wird uns sehr nützen, wenn wir neue Zuwendungen beantragen. Ich hatte auf so etwas gehofft.“
    Professor Sullivan

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