Die letzte Hürde
Sir!“
„In drei Stunden bin ich zurück, um das Zeug wieder einzusammeln. Reicht das?“
„Warum willst du nicht mit uns feiern, Onkel Paul? Du könntest auch Mutsch herholen!“ bat Bille.
„Nee, nee, mein Deern!“ Onkel Paul lachte. „Für euch ist das viel gemütlicher ohne uns Alte. Ich werde mit deiner Mutter auf der Terrasse in aller Ruhe einen Elsässer Riesling leeren. Das habe ich ihr versprochen.“
Während Onkel Paul davonfuhr, hatte Tom bereits eine geschützte Mulde für das Feuer ausgewählt und schichtete nun trockenes Holz und Holzkohle aufeinander. Nach der Blamage mit dem vergessenen Brennmaterial hatte er etwas gutzumachen. Prahlte er vor den anderen doch immer damit, daß er im Feuermachen der große Profi sei, seit er in Kalifornien mit den Cowboys die Herden begleitet hatte. Und wirklich, in kurzer Zeit gloste eine kräftige Glut, über der sie die von Frau Henrich gestifteten Würste und Koteletts grillen konnten. Bettina hatte dazu in Folie gewickelte Kartoffeln mitgebracht, um sie in der Glut zu backen, Bille Stangenbrot, Senf und das für Tom unverzichtbare Ketchup. Außerdem einen üppigen Plastikbehälter mit knackigem Salat. Joy holte Picknickgeschirr, Besteck und Gläser aus ihren Satteltaschen, während Daniel Onkel Pauls Getränke-Auswahl begutachtete und triumphierend mit einer Flasche Sekt zurückkehrte.
„Den nehmen wir jetzt zum Anstoßen, gib die Becher her, Joy, geliebtes Weib!“ rief er übermütig.
Joy ging auf seinen Ton ein.
„Wenn du die Flasche weiter so schüttelst, wirst du den Sekt nicht trinken, sondern allenfalls damit duschen!“ Simon, Florian und Niko hatten die Pferde abgesattelt und sie in den Dünen angepflockt, nachdem sie an einer Viehtränke ihren Durst gelöscht hatten. Jetzt kehrten die drei mit Indianergeheul zurück.
„Hier gibt’s was zu trinken? Her mit dem Stoff!“
„Alle Becher ganz dicht zu Daniel und volle Deckung!“ Mit einem Knall löste sich der Korken und flog in hohem Bogen in die Luft.
„Die da oben im Himmel werden sich wundern, wo der plötzlich herkommt!“ Daniel bemühte sich, so wenig wie möglich von der aufschäumenden Flüssigkeit zu verschütten und sie gleichmäßig auf die Becher zu verteilen.
„Haben wir noch mehr davon?“ erkundigte sich Florian begehrlich.
„Nein, du Säufer. Danach gibt’s Saft, Cola oder Mineralwasser“, rügte Daniel seinen jüngsten Bruder. „Also? Worauf stoßen wir an?“
„Auf uns!“
„Auf diesen Abend!“
„Auf die edlen Spender!“
„Auf unsere Pferde!“
Jeder versuchte, den anderen zu übertönen.
„Nein!“ widersprach Bille. „Seid still, hört mal zu! Wir trinken auf den nächsten gemeinsamen Ausritt an den Strand, das nächste gemeinsame Picknick. Und darauf, daß wir nicht so lange darauf warten müssen!“
Bettina nickte der Freundin lächelnd zu. „Darauf, daß die Zeit von einem gemeinsamen Ausritt bis zum nächsten nie zu lang wird, wenn wir jetzt bald in alle Himmelsrichtungen auseinandergehen.“
„Einverstanden. Darauf trinken wir!“
Daniel stieß erst mit seinem Bruder Simon, dann mit allen anderen an, und Bille tat es ihm nach. Simon sah ihr ernst in die Augen.
„Auf daß wir nie mehr als zwei, drei Wochen getrennt sein werden. Aber das werden wir nicht, ich weiß es. Ich könnte es gar nicht so lange aushalten ohne dich.“
„Und ich erst recht nicht.“
„So, Leute, bis ich mit dem Grillen fertig bin, könnt ihr baden gehen. Ich rufe euch dann. Ihr macht mich hier sonst nervös“, verkündete Tom.
Die anderen ließen sich das nicht zweimal sagen. Bald tobten sie im Wasser herum, als seien sie gerade dem Kindergartenalter entwachsen, und kehrten erst zurück, als Tom sie zum Essen rief.
Diesmal machte er seinem Ruhm alle Ehre: Das Fleisch und die Würste waren außen knusprig und innen saftig und zart. Kein Bissen blieb übrig, immer wieder wurden die Teller und Becher gefüllt. Die Freunde lagerten um das Feuer und blickten aufs Meer hinaus, das sein Aussehen unter den Strahlen der untergehenden Sonne ständig veränderte, von Goldorange zu Purpurrot und schließlich zu Lila und Tintenblau wechselte.
Tom warf noch einmal Kohlen auf die Glut und bereitete Pulverkaffee auf Cowboy-Art zu. Joy zauberte Kuchen aus ihrer Satteltasche, und alle griffen begeistert danach, obwohl sie doch gerade geschworen hatten, keinen Bissen mehr hinunterzubringen! Im tiefen Nachtblau des Himmels blinkten die ersten Sterne auf. Geheimnisvoll
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