Die letzte Lagune
sofort (das Wort war unterstrichen
gewesen) ins Ognissanti zu kommen - es gehe um Signor Flyte. Tron
war auf der Stelle aufgebrochen und stand jetzt vor dem Zimmer im
zweiten Stock, zu dem ihn der Pförtner geschickt
hatte.
Leach, der
würgende Geräusche von sich gegeben und die Augen
verdreht hatte, war jetzt wieder in der Lage zu sprechen.
«Sie kannten den Toten?»
Tron nickte.
«Mehr oder weniger.»
«Dann sind Sie
privat hier?»
«So wie die
Dinge liegen, eher nicht.»
Leach schien
irritiert. «Wie liegen die Dinge?»
«Darüber
werden wir mehr wissen, wenn wir den Sektionsbericht haben»,
sagte Tron.
Diese Antwort schien
Leach noch mehr zu verwirren. «Es wird eine Sektion
geben?»
«Es gibt in
solchen Fällen immer eine Sektion», antwortete
Tron.
Leach schüttelte
traurig den Kopf. «Wie sagen die Franzosen? Jeune
encore. Kann ich jetzt wieder ...»
Der Mund des Sekretärs verzerrte sich. Er brach den Satz
ab.
Tron nickte.
«Sie können gehen, Mr. Leach.»
Im Zimmer roch es nach
Branntwein, und der Geruch wurde intensiver, als Tron sich dem Bett
näherte. Einen Moment lang blieb er mit gerümpfter Nase
am Kopfende stehen, dann schlug er das Laken, das man über
Flytes Gesicht gebreitet hatte, mit einem Ruck zurück.
Vorsichtshalber trat er sofort einen Schritt nach
hinten.
Der bärtige Mann
auf dem Bett war höchstens fünfundzwanzig. Er hatte
rötliche, krause Haare und Sommersprossen. Streifen aus
geronnenem Blut zogen sich quer über seine Stirn. Seine Nase
schien gebrochen, der Mund war leicht geöffnet, und Tron
konnte ein paar gelbliche Schneidezähne sehen, groß wie
Klaviertasten. Jeune encore - das jedenfalls
stimmte. Aber der Mann war nicht Flyte.
«Auf den Kopf
gefallen, ohnmächtig geworden und erfroren», sagte in
diesem Augenblick eine Stimme an der Tür.
Tron fuhr erschrocken
auf dem Absatz herum. Dr. Lionardo, der Gerichtsmediziner, stand
auf der Schwelle. Er hatte die Augenbrauen, wie er es immer tat,
leicht emporgezogen, so als würde er sagen:
Was ist denn hier
los? Tron
erkannt den medico legale einen Moment lang
nicht, denn anders als seine Kollegen trug Dr. Lionardo seit
einiger Zeit bei der Arbeit keinen Gehrock mehr, sondern einen
schlichten weißen Kittel.
«Dabei stark
alkoholisiert», fuhr der dottore fort, nachdem er Tron
flüchtig zugenickt hatte. «Wir haben das britische
Konsulat benachrichtigt, weil er offizielle Papiere mit sich
führte.» Er gab Tron die Hand. «Was machen Sie
denn hier, Commissario? Stimmt mit ihm irgendetwas
nicht?»
«Wo ist Dr.
Flyte? Sie hatten mir ausrichten lassen, dass Flyte im Ognissanti
liegt, und mich gebeten, sofort zu kommen.»
«Oh, ich
verstehe.» Dr. Lionardo gestattete sich ein kaum
wahrnehmbares Lächeln. «Ihr junger Freund liegt eine
Etage tiefer.»
«Ist er
ansprechbar?»
«Absolut. Er hat
Prellungen an den Rippen. Aber das ist alles.»
«Was ist
passiert?»
«Jemand hat auf
ihn geschossen», sagte Dr. Lionardo.
«Möglicherweise mit einer Derringer. Aber Sie sollten
selber mit ihm reden.»
*
Flyte lächelte,
als Tron den Raum betrat. Er lag, ein paar Kissen im Rücken,
halb aufgerichtet auf einem der beiden Betten, die im Zimmer
standen. Auf seinem Nachttisch stand ein Glas Wasser, daneben lag
eine Bibel. Über dem Bett hing ein Bild des Papstes, ein
billiger Druck, kaum größer als ein Kanzleiblatt. Seit
ein paar Monaten überschwemmte die Kirche alle kirchlichen
Einrichtungen mit Portraits des Papstes. Vermutlich, dachte Tron,
um der wachsenden Unbeliebtheit von Pius IX. entgegenzuwirken, denn
der Papst hatte sich mehrfach gegen die italienische Einheit
ausgesprochen. Tron fragte sich, was Dr. Lionardo von diesem
speziellen Wandschmuck halten mochte. Der dottore war, obwohl er in einem
kirchlichen Krankenhaus arbeitete, nicht als fanatischer
Anhänger der heiligen Kirche bekannt.
Tron blieb am
Fußende des Bettes stehen. Er fand, dass Flyte recht fidel
aussah. «Wie geht es Ihnen, Dr. Flyte?»
«Den
Umständen entsprechend», sagte Flyte. «Holly hat
mir das Leben gerettet.» Er nahm eine flache Dose vom
Nachttisch. Auf ihrem Deckel befand sich eine kreisförmige
Delle. Tron erkannte, dass es sich um ein silbernes Zigarettenetui
handelte.
«Der Bursche hat
gut gezielt», sagte Flyte trocken. «Aber das Etui
steckte in der Brusttasche meines Gehrocks. Holly hat es mir zu
Weihnachten geschenkt.»
«Wann ist das
passiert?»
«Nachdem ich die
Fortsetzung der Aufzeichnungen bei Ihnen
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