Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzte Lagune

Die letzte Lagune

Titel: Die letzte Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
Vom Netzwerk:
gleicht einem Warenlager. Spiegel, Teppiche,
kostbare Truhen - alles stapelt sich auf Deck und in den Kabinen.
Dandolo duldet das, weil er die Leute bei Laune halten muss. Pietro
hat angefragt, ob ich vier Ballen chinesischer Seide in meiner
Kabine unterbringen könne, die er angeblich an Land
«erstanden» haben will. Habe zugestimmt und zehn
Prozent vom Verkaufspreis als Kommission ausgehandelt. Ist
natürlich Unsinn, jetzt bereits Transportkapazitäten zu
blockieren und sie nicht für die byzantinische Beute zu
reservieren.
    28.11.
    Heute Morgen auf
dem Vorderdeck folgenden Dialog zwischen einem jungen Ruderer und
einem der    
    balestrieri, einem
vierschrötigen Kerl mit eingerissenen Ringerohren,
mitgehört. Die balestrieri sollen sich an Land besonders
brutal verhalten haben. Der Bogenschütze: «Und dann
kannst du dir nehmen, was du willst, echt.» Der Ruderer:
«Wie? Alles?» Der Bogenschütze: «Eben waste
willst. Kannst dir alles nehmen. Essen, Sachen.» Der Ruderer:
«Auch Weiber?» Der Bogenschütze: «Na klar.
Machen wir doch immer nachher.» Der Ruderer: «Und deren
Männer?» Der Bogenschütze: «Machen wir immer
vorher.» Der Ruderer: (schockiert) «Wie? Auch
Männer?» Der Bogenschütze (lachend): «Nee,
die machen wir vorher
tot.»      
    30.11.
    Ungewöhnlich
heiter, sonnig. Dabei stetiger Nordwind, wir fliegen förmlich
die Küste entlang. Alle freuen sich, nur die Ruderer
stöhnen. Die Segelschiffe hinter uns kommen den Galeeren immer
näher, und das mag Dandolo nicht. Die Ruderer, immer noch
sauer wegen der entgangenen Beute, bestehen auf Lohnerhöhung
drohen mit Streik. Sind ja (leider) keine Sklaven, sondern Leute,
meist Venezianer, mit denen man Verträge abgeschlossen hat.
Der Doge wird wohl nachgeben müssen.
    Nachmittags bei
Dandolo, die neue Vereinbarung mit den Ruderern fixiert. Sollen in
Zukunft mehr kriegen und wollten es schriftlich.
Anschließend, anlässlich eines verwitterten Holzstabes,
mit dem die Katze des Dogen spielte, Gespräch über
Reliquien. Der Stab aus einer Kirche in Zara ist natürlich
nicht der Stab des Moses. Auch die meisten Reliquien, die in Byzanz
herumstehen, hält Dandolo für Fälschungen. Also das
Kreuz, an dem Jesus starb, der Stein, auf dem Jakob sein Haupt
niedergelegt hat, die Blutstropfen, die Jesus in Gethsemane
vergossen hat - alles Scherzartikel. Dann sagte Dandolo noch etwas,
worüber ich nachdenken musste. Er sagte, dass es auch
Reliquien gebe, die ihren Besitzern ungeheure Macht verleihen,
brach dann aber das Gespräch sofort ab. Was kann er gemeint
haben? Habe mir vorgenommen, mit Pater Ignazio zu sprechen. Der
geht übrigens bei Dandolo ein und aus.
    5.12.
    Erwischt! Heute
Nachmittag auf dem Achterdeck mit den balestrieri friedlich gewürfelt, wie
immer gewonnen, als mich plötzlich jemand von hinten packte
und festhielt. Zwei balestrieri haben mich dann durchsucht und
das zweite Paar Würfel entdeckt. Wurde vermöbelt und
musste alles Geld zurückgeben, das ich ihnen abgenommen hatte.
Konnte schlecht um Hilfe rufen, womöglich hätte Dandolo
alles erfahren. Nase blutig auf der Stirn eine Platzwunde. Habe
Pietro gegenüber behauptet, dass ich den Niedergang
hinabgefallen bin, wollte ihm nicht die Wahrheit sagen. Und jetzt
benutzen die balestrieri meine Würfel, um die
Ruderer zu schröpfen! Kann sie nicht warnen, weil ich auch
denen Geld abgenommen hatte.
    Früh in die
Hängematte, zuvor eine Flasche Falerner zügig geleert,
Bechertrost. Das Leben unter solchen Halsabschneidern widert mich
an. Wären meine Schulden nicht, würde ich in Korfu ein
Schiff nach Venedig nehmen.
    18.12.
    Seit einigen Tagen
Sturm und Regen. Wolkenverhangene Küstenberge. Lucias Drachen
seit gestern krank. Hektisches Gerenne der Zofe zwischen Kabine und
Reling dort Ausleeren von Schüsseln mit schleimigem Inhalt.
Lucia heute nicht zur Morgenandacht auf Deck. Pater Ignazio ist ein
paarmal in der Kabine der Frauen verschwunden, auch der Feldscher,
der mein Bein behandelt hat. Werde versuchen, von Pater Ignazio
mehr über die Situation zu erfahren.
    15.1.
    Korfu in Sicht.
Kaum Wind. Die Galeeren verlangsamen ihre Fahrt, damit der Rest der
Flotte zu uns aufschließen kann. Bin immer wieder fasziniert
von der schieren Masse der Segel, die beinahe die gesamte
Horizontlinie verdecken.
    Mittags
eigentümliche Unterhaltung mit einem der Ruderer. Man kommt
viel zu selten mit solchen Leuten ins Gespräch, beim
Würfeln wird ja kaum geredet. Der Mann, aus Castello
gebürtig,

Weitere Kostenlose Bücher