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Die letzte Lagune

Die letzte Lagune

Titel: Die letzte Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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auf den Gesichtern der beiden
sich verstärkt hatten, und wieder hielt er es für
klüger, die Augen zu schließen. Gegen die Musik als
solche war nichts einzuwenden, obgleich die Geschichte einen
Einschlag ins Fragwürdige hatte.
    Als er seine Augen
wieder öffnete, sah er, wie ein Lohndiener das Parkett
durchquerte und neben einem Signore, der direkt am Gang saß,
stehen blieb. Der Diener grüßte halb militärisch,
indem er mit der linken Hand kurz seine Schläfe berührte,
und übergab dem Signore einen zusammengefalteten Zettel.
Worauf der Signore - seiner Uniform nach ein Rittmeister der
Kaiserjäger - sich erhob und den Mittelgang entlang zum
Ausgang lief. Und plötzlich ließ DER HERR ihn abermals
einen Gedanken denken. Der Gedanke war so deutlich, alle
Einzelheiten so klar und prägnant, dass er den Ablauf der
kurzen Szene gleichsam vor sich sah. Er sah ein erschrockenes
Gesicht, dann sah er den kurzen, hellen Feuerstoß,
schließlich das Zusammensacken des Burschen vor den
gestapelten Getränkekisten.    
    Er würde ein
Billett schicken, die Tapetentür im Auge behalten, der Person
in das Kabuff folgen und dort die Sache endlich erledigen.
Gewissermaßen unter den Augen des Commissario, der morgen
Abend ebenfalls anwesend sein würde. Überhaupt,
überlegte er weiter, würden vermutlich alle diejenigen
anwesend sein, die auf die eine oder die andere Weise in diese
Geschichte verwickelt waren. Womit die Angelegenheit für den
Commissario noch unübersichtlicher wurde, als sie ohnehin
schon war.      
    Der Mann in dem
schwarzen Gehrock stand auf und schob sich, ein permesso auf den Lippen, die
Reihe entlang zum Ausgang. Er hatte genug gesehen. Natürlich
wusste er, wie die Geschichte endete. Telramund würde ins
Brautgemach eindringen und erschlagen werden. Und Elsa würde
die Frage stellen, die sie nicht stellen durfte. Dass Lohengrin
daraufhin die Beziehung beendete, hatte sein vollstes
Verständnis.

27
    Tron - in der rechten
Hand ein Fernrohr, in der linken ein Champagnerglas - saß
neben der Principessa auf einem von zwei gepolsterten Stühlen,
die an der Brüstung standen. Zu beiden Seiten lagen mehrere
Etagen ebenfalls matt beleuchteter Logen, die das Parkett
kranzförmig umschlossen. Die Lohengrin -Premiere
war fieberhaft erwartet worden, und soweit Tron erkennen konnte,
war das Fenice bis auf den letzten Platz besetzt. Auffällig
viele Offiziere saßen im Publikum - offenbar nicht nur aus
Venedig, sondern aus allen Garnisonen des Veneto. Sie waren
prächtig anzusehen in ihren bunten Uniformen, auch wenn man
der kaiserlichen Armee aus patriotischen Gründen feindlich
gesinnt war.
    Tron beugte sich nach
vorne und roch den Duft der Parfüms, der vom Parkett aufstieg
und sich mit dem leichten Schwefelgeruch, den die Gasbeleuchtung
absonderte, vermischte. Zwei Schritte hinter ihm stand ein
plüschiges Sofa, daneben ein Tischchen mit Gläsern und
dem Champagnerkühler. Vom Sofa aus war das
Bühnengeschehen nicht zu verfolgen, allerdings konnte man dort
auch nicht gesehen werden.
    Ein weiteres Sofa
stand direkt auf der Bühne, im Brautgemach des hohen Paares.
Elsa und Lohengrin saßen im Moment darauf. Der
Kostümbildner hatte Elsa eine blonde Perücke mit
Zöpfen verpasst, Lohengrins Kostümierung dagegen bewusst
schlicht gestaltet: die Schwanenflügel am Helm des
Schwanenritters waren kaum zu erkennen. Die beiden sangen und
rückten mit jedem Takt näher aufeinander zu. Da Elsa und
Lohengrin, obgleich anderweitig verheiratet, auch privat
miteinander verkehrten, stellte sich die interessante Frage, wie
weit sie auf der Bühne gehen würden. Das Sofa, auf dem
die beiden saßen, war dem Libretto zufolge eigentlich ein
Brautbett, aber es ähnelte, fand Tron, sehr stark den Sofas,
die in den Logen standen. So genau war dies allerdings nicht
festzustellen, denn er hatte Schwierigkeiten mit der Bedienung des
Perspektivs, das ihm die Principessa gereicht hatte.
    «Ich sehe nur
Farbkleckse», beklagte sich Tron.
    Die Principessa
verdrehte die Augen. «Du musst vorne scharfstellen. Hör
auf, am Okular zu drehen.»
    Tron stellte fest,
dass es am vorderen Ende des Fernrohrs tatsächlich ein
geriffeltes Rädchen gab. Er drehte es erst in die falsche
Richtung, worauf alles noch verschwommener wurde, dann in die
andere Richtung - und plötzlich sah er. Und zwar erstaunlich
scharf. Dieses Ding, musste er zugeben, war deutlich besser als ein
normales Opernglas.
    Tron ließ den
kleinen runden Ausschnitt, den ihm

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