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Die letzte Lagune

Die letzte Lagune

Titel: Die letzte Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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würden sie sich
streiten. Ich glaube, sie hat ihm eins mit dem Fächer
versetzt. Und jetzt ist sie aufgesprungen und hat die Loge
verlassen.»
    «Na
bitte», sagte die Principessa. «Das verschüchterte
kleine Häschen. Und ihr Liebhaber? Sitzt der noch im
Parkett?»
    «Der ist
verschwunden.»
    «Kannst du Flyte
sehen?»
    Tron schwenkte das
Perspektiv auf die der Loge Marchmains direkt
gegenüberliegende Loge des englischen Konsuls, in der Flyte
gesessen hatte. Die Loge des Konsuls war leer. «Flyte ist
ebenfalls verschwunden», sagte Tron.
    «Und
Contarini?»
    Tron suchte die Logen
auf der linken Seite ab. «Der kommt gerade», berichtete
er. «Scheint sich angestrengt zu haben. Atmet schwer. Und hat
etwas in der Hand, das so aussieht wie ein ridicul.»
    «Der Monsignore
hat ein Handtäschchen?»
    Tron lachte.
«Nein, ich glaube, es ist eine Maske.» Er dachte kurz
nach. «Hast du Contarini in der Pause
gesehen?»
    Die Principessa
schüttelte den Kopf.
    «Dann hat er
entweder die Pause in einer anderen Ecke verbracht, oder er hat
eine Maske getragen», sagte Tron.
    «Weil es sich
für einen Monsignore nicht schickt, eine Opernaufführung
zu besuchen?»
    «Ich weiß
es nicht.»
    «Was ist mit
Lodron?»
    «Der ist
ebenfalls nicht mehr in seiner Loge», sagte Tron. «In
der Pause habe ich ihn noch gesehen. Er hat sich mit Spaur
unterhalten.»
    «Eigenartig», wunderte
sich die Principessa. «Es sind auf einmal alle
weg.»
    Tron nickte.
«Und Bossi auch. Ein Lakai hat ihn gerade aus dem Parkett
geholt. Wahrscheinlich irgendeine Lappalie.» Er nahm das
Fernrohr vom Auge und setzte sich wieder aufrecht hin. «Ich
frage mich, warum auf einmal alle verschwunden sind. Marchmain,
Holly Parker, Flyte, Lime, Lodron. Und was ist mit Contarini los?
Warum war er so außer Atem?»
    «Vielleicht
solltest du damit aufhören, Tron.»
    «Fragen zu
stellen? Du redest ja wie Lohengrin. Niemand verlässt ohne
guten Grund eine Premiere.»
    «Das meine ich
nicht.»
    «Womit soll ich
aufhören?»
    «Mit der
Polizeiarbeit», sagte die Principessa.
    «Du meinst
sofort? Mitten in den Ermittlungen?»
    «Natürlich
nicht. Im Herbst vielleicht.»
    «Das
Gespräch führen wir schon seit Jahren. Abgesehen davon
haben wir eben etwas versäumt. Telramund ist
tot.»
    Tron wies mit der Hand
auf die Bühne. Friedrich von Telramund lag auf dem Boden, ein
Schwert steckte in seinem Harnisch. Er hatte das Brautgemach
gestürmt und versucht, seinen Widersacher Lohengrin
hinzumeucheln, war aber von diesem erschlagen worden - klarer Fall
von Notwehr. Jetzt sang Lohengrin:
    
    Weh! Nun ist all
unser Glück dahin!
    «Legst du Wert
darauf, das Ende zu sehen?», erkundigte sich die
Principessa.
    «Nein»,
sagte Tron. «Keinen allzu großen.»
    «Dann lass uns
verschwinden, bevor alle die Garderobe belagern», sagte die
Principessa.      
    Sie erhob sich, und
Tron wollte ebenfalls aufstehen, als sich plötzlich die
Tür der Loge öffnete. Es war Bossi, und sein
Gesichtsausdruck ließ auf nichts Erfreuliches
schließen.
    Tron sprang auf.
«Was ist los, Bossi?»
    «Wir haben einen
Toten, Commissario.»
    «Ein
Unfall?»
    Bossi schüttelte
den Kopf. «Ich fürchte, es sieht nach Mord
aus.»

28
    Vittorio Knarz stand
hinter dem Getränketresen im ersten Stock des Fenice und bot
das Bild eines Mannes, der alles unter Kontrolle hat. Kein
Stäubchen lag auf seinem Frack, in seinen Lackschuhen
hätte man sich spiegeln können. Der akkurat gestutzte
Schnurrbart wies ihn als ehemaligen Soldaten aus. Knarz hatte zwei
Jahre lang eine Feldküche der kaiserlichen Armee geleitet und
war kurz nach Solferino in Ehren entlassen worden. Seit sechs
Monaten betrieb er den Ausschank im ersten Stock des Fenice. Seit
fünf Monaten bereute er, den Pachtvertrag unterschrieben zu
haben.
    In der linken Hand
hielt er ein Klemmbrett, in der rechten einen Bleistift. Auf dem
Klemmbrett befand sich eine Liste des Getränkebestands vor der
Pause, und jetzt ging es darum, die Differenz festzustellen, um sie
anschließend mit dem Kassenbestand zu vergleichen.
Natürlich hatte er während der Pause aufgepasst wie ein
Luchs, aber ehrliches Personal war heutzutage kaum zu finden, schon
gar nicht zu seinen Löhnen. Maria, Martha und Magdalena, seine
drei Angestellten, waren nicht die hellsten Leuchten. Aber hier und
da eine Münze in die eigene Tasche zu stecken, brachte jede
fertig.
    Auf der anderen Seite
des Foyers labte sich ein Rittmeister der Linzer Ulanen an dem Glas
Champagner, das er

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