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Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)

Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)

Titel: Die letzte Lüge: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Jonge
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entblätterten Bäumen und der Statue von Garibaldi auf ihrem weißen Sockel vorbei. Als Tausende von Kerzenlicht beschienene Gesichter den abgesenkten Kreis im Zentrum der steinernen Plaza umgeben, steigen auch O’Hara und Krekorian aus dem Wagen und schließen sich der Menge an.
    Anders als die Lower East Side kommt O’Hara der Washington Square ganz und gar nicht fremd vor. In ihrem ersten Jahr an der Highschool schwänzte sie oft mit ihrer besten Freundin Leslie Meehan die Schule und fuhr mit dem Zug ins große, böse Manhattan. Einen beträchtlichen Teil dieser fröhlichen Freistunden verbrachten sie in eben diesem Park, tranken Bier aus Flaschen in Papiertüten und machten mit älteren Jungs herum, die Koteletten trugen und dreist grinsten. Im Gras am Rand des Platzes erlaubte sie zum ersten Mal einem Jungen, seine Hand zwischen ihre Beine zu schieben, wobei sie die Hand, rückblickend betrachtet, selbst dorthin geführt hatte. Aber Sex ist der einzige Bereich, in dem sie sich von Anfang an vollkommen unbefangen fühlte. Vielleicht weil Klassen-, Einkommens- und Bildungsunterschiede nicht mehr so wichtig sind und man sich auf Augenhöhe miteinander befindet, wenn man keine Kleider trägt. So naiv ist O’Hara jetzt allerdings nicht mehr. Ihr ist längst klar, dass nur im Tod alle gleich sind, und obwohl einige dieser jungen Leute im Anschluss an diese Mahnwache vögeln werden, so ist es doch ein möglicher Todesfall und nicht Sex, der sie heute Abend hierhergeführt hat.
    Im Zentrum des Kreises befinden sich fünf Sockel, die tagsüber meist von tätowierten Jongleuren, Feuerschluckern und Straßenkomödianten besetzt sind. Als die Menge allmählich ruhiger wird, treten zwanzig Studenten vor, teilen sich in Dreier- und Vierergrüppchen auf und stellen sich auf die steinernen Podeste. Dann löst sich eine kleine, blonde Studentin im Kamelhaarmantel aus der Menge. Als sie die Hände in die Höhe streckt, erheben sich zwanzig Stimmen in der verschneiten Nacht. Mit ihrem Blick folgt ihnen O’Hara nach oben und sieht Richtung Norden über diesen Triumphbogen für Arme und die eleganten Stadthäuser auf der Nordseite des Parks hinweg zu den Bürohochhäusern von Midtown, wo diese jungen Menschen schon bald in Bürokabinen sitzen und sich erbitterte Kämpfe liefern werden. In das Klagelied hinein, das – da ist sich O’Hara sicher – in lateinischer Sprache gesungen wird, klingelt ihr Handy.
    »Darlene«, sagt George Loomis, ebenfalls Detective im 7. Revier, »irgendein abgewrackter Junkie ist im East River Park bei den Tennisplätzen über eine Leiche gestolpert. Ich mach mich mit Navarro auf den Weg, aber ich dachte, du würdest es wissen wollen. Die Beschreibung klingt nach deinem Mädchen.«

10
     
    Krekorian macht einen U-Turn auf der La Guardia, schiebt den spärlichen Verkehr mit seiner Sirene beiseite und überfährt rote Ampeln. Kurz vor dem Fluss biegt er auf die Zufahrtsstraße unter dem FDR-Drive in den Park ein und fährt auf die im Schatten der Williamsburg Bridge blinkenden roten Lichter zu. Der East River Park, eingezwängt zwischen Highway und Fluss, ist ein schmaler Streifen Freizeitfläche, den wahrscheinlich keiner der heute Abend bei der Mahnwache Anwesenden je zuvor betreten hat. Nicht weil es so ein elender Ort ist, sondern weil der Highway den Park von der City trennt. Familien aus den Sozialwohnungen nutzen tagsüber die Fußgängerbrücken über den Highway, nachts aber ist hier Niemandsland. Wollte man eine Leiche verklappen, könnte man auf sehr viel blödere Ideen kommen, als sie hier abzulegen.
    Krekorian fährt in südlicher Richtung an den Fußball- und Baseballplätzen vorbei und stellt sich hinter den Streifenwagen, der zwischen den Tennisplätzen und einem überwucherten Toilettenhäuschen parkt. Der durch die wenigen Zentimeter frischen Schnee in helles Weiß getauchte Park zeigt sich von seiner besten Seite, aber am FDR-Drive, der schwarzen Unterseite der Brücke und den Lagerhallen, der Skyline von Williamsburg auf der anderen Seite des Flusses ändert auch der Schnee nichts. Neben dem Streifenwagen, der von einem Transporter der Spurensicherung blockiert wird, parkt eine ebenso dreckige Schrottlaube von Impala wie O’Hara und Krekorian sie fahren. Daneben stehen Steve Navarro, George Loomis und Russ Dineen.
    Navarro und Loomis – beide in dunklen Wollmänteln, die offensichtlich von ein- und derselben Stange für heruntergesetzte Übergrößen stammen – sind Kollegen

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