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Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Titel: Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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aufzuschichten. So wurde in Frankreich Johanna von Orléans hingerichtet. Lady Margaret Bulmer wird heute weit Schlimmeres leiden als damals Johanna.«
    »Warum erzählt Ihr mir das?«, fragte ich heftig.
    »Weil das hier kein Aufenthalt für Euch ist.« Er schüttelte mich bei der Schulter in seinem verzweifelten Bemühen, mich umzustimmen.
    Am anderen Ende der Gasse erhob sich lautes Geschrei. »Sie kommt! Sie kommt!«
    »Zu spät«, sagte ich zu Geoffrey Scovill.
    Die Menge drängte nach rechts, und ich ließ mich mitziehen. Geoffrey Scovill blieb hinter mir. Es würde jetzt schwierig werden, ihn abzuschütteln. In der Mitte der Gasse erschienen die Köpfe von mehr als einem Dutzend Soldaten, die auf uns zukamen. Sie trugen Brustpanzer und waren mit Knüppeln bewaffnet.
    Am Ende des Zugs führte ein Soldat einen Rappen, der etwas hinter sich herzog.
    Geoffrey Scovill, immer noch an meiner Seite, stieß einen erstickten Laut aus.
    »Was ist?«, fragte ich.
    »Sie wird auf einer Schleife gebracht«, sagte er schaudernd.
    Ich wusste nicht, was das heißen sollte. Aber als das Pferd näher kam, sah ich, dass es ein langes, aus Stangen zusammengeschnürtes Holzgestell, ähnlich einem Schlitten, durch den Straßenschmutz zog. Alle zeigten mit Fingern auf das Ding.
    »Verbrennt das papistische Mensch!«, schrie eine geifernde Alte, und andere stimmten in das Geschrei ein. Der Rappe wurde unruhig bei dem Tumult und schwenkte zum anderen Zaun hinüber. Nun konnte ich die Person erkennen, die rücklings, mit weit gespreizten Armen, auf die Schleife gebunden war. Mit hämmerndem Herzen starrte ich sie an wie gebannt. Ich war umsonst nach Smithfield gekommen. Die Frau war nicht Margaret. Diese erbarmenswerte, dem Tod geweihte Kreatur in dem langen, zerlumpten grauen Hemd war viel zu alt, viel zu armselig. Ihr eingefallenes Gesicht unter dem abgeschnittenen Haar, das ihr strähnig bis zu den Ohren hing, war schmutzig und von Blutergüssen entstellt.
    Die Soldaten lösten ihre Fesseln und rissen sie in die Höhe. Beinahe wäre sie gestürzt, als sie taumelnd auf die Füße kam. Doch einer der Soldaten hielt sie aufrecht und wies zum Scheiterhaufen. Einige Sekunden lang stand sie still, dann straffte sie die Schultern und schritt dem Richtplatz entgegen. Ich erschrak ein wenig, als ich die Bewegung sah, mit der sie sich gerade aufrichtete.
    In diesem Moment brach endlich die Sonne durch die grauen Wolken und überflutete den Smithfield Square mit Licht. Ein Strahl berührte das Haar der Gefangenen und ließ es rotgolden aufblitzen.
    Und ich erkannte Margaret.
    »Verräterin!«, »Hure!«, »Papistin!«, johlte die Menge, als sie näher kam. Ich klammerte mich an den Zaun und zog mich vor den Leuten, die sie so wütend beschimpften, an ihm entlang. Ein Mann versetzte mir einen Schlag, als ich mich an ihm vorbeidrängte. Ichspürte es kaum. Ich blickte über die Schulter zurück, Geoffrey Scovill war in der Menge verschwunden.
    Ich kniete im Schmutz nieder und schob den Kopf durch ein Loch im Zaun. »Margaret!«, rief ich laut. »Margaret! Margaret!«
    Als sie hinkend näher kam, konnte ich erkennen, dass ihre Augen halb geöffnet waren. Ich schrie ihren Namen jetzt so laut, dass ich glaubte, meine Stimmbänder würden reißen. Ihre Lider zuckten, und sie wandte den Blick in Richtung meiner Rufe.
    In ihren Augen wurde etwas lebendig. Sie kam auf mich zu.
    Die Menschentrauben um mich herum brüllten Beifall. Nun würden sie die Verräterin besser zu sehen bekommen. Zwei der Soldaten stürzten ihr nach. Gleich würden sie sie packen und wegholen.
    Margaret sah mir direkt in die Augen. Sie bewegte die Lippen, aber ich konnte nicht hören, was sie sagte.
    Ich griff in die Tasche meines Kleides und zog meinen Rosenkranz heraus. Durch das Loch im Zaun warf ich ihn ihr zu. Er fiel in den Morast zu ihren Füßen. Als sie sich bückte, um ihn aufzuheben, beugte sich eine alte Frau über das Gitter und spuckte sie an. Der Speichel tropfte an ihrer linken Brust herab. »Brennen sollst du, papistische Hure!«, kreischte die Alte.
    Die Soldaten packten Margaret. Einer schrie die Alte an. Sie hatten nur ihren Angriff bemerkt. Ich beobachtete, wie Margaret den Rosenkranz mit den Perlen und dem winzigen Kreuz an sich nahm, ihre Hand um ihn schloss und ihn fest an sich drückte.
    Als die Männer sie zurückrissen und wieder auf den Weg zum Richtplatz brachten, blickte sie über die Schulter zurück und sah mich in Tränen winken.
    »Joanna«, rief

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