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Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Titel: Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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sie   – und wurde weggeführt.
    Die Soldaten geboten Ruhe, und das Geheul der Menge verstummte. Ein graubärtiger Amtsvertreter las von einer Schriftrolle das Urteil vor, aber ich schnappte nur Bruchstücke auf: »…   des Hochverrats schuldig   … Anstiftung zum Aufruhr   … nach Gefallen seiner Majestät des Königs   …« Sobald der Mann zum Ende gekommen war und das Pergament senkte, wurde Margaret von Soldaten ergriffen.
    Ich sprang auf und zuckte zusammen, als ich plötzlich eine Handauf meiner Schulter spürte. Geoffrey Scovill hatte mich wiedergefunden.
    Wir sahen zu, wie die Soldaten Margaret auf das Fass hoben und sie an den Pfahl banden. Andere Männer häuften Äste, Scheite und Anmachholz zu ihren Füßen auf. Sie war so weit entfernt, dass ich ihr Gesicht nicht deutlich erkennen konnte, aber ich hatte den Eindruck, ihre Lippen bewegten sich im Gebet. Ich hoffte, dass sie den Rosenkranz noch in den Händen hielt.
    »Ahhh!«, schrie die Menge wie aus einem Mund, als ein kleinwüchsiger Mann mit einer lodernden Fackel vortrat. Er verneigte sich vor den Soldaten, die im Halbkreis den Scheiterhaufen umstanden, dann entzündete er das Holz rund um das Fass.
    »Christus erbarme dich, Christus erbarme dich«, flüsterte ich und begann, wie ich mir vorgenommen hatte, das dominikanische Heilsgebet zu sprechen. Es war das Einzige, was ich für sie tun konnte.
    Ein neuer Aufschrei ging durch die Massen. »Was will der da? Wo will der hin?«
    Als ich den Kopf drehte, sah ich einen Mann an mir vorüberlaufen, direkt auf Margaret zu. Einen Mann um die Fünfzig, einen hochgewachsenen Edelmann mit tränenüberströmtem Gesicht.
    Einen Moment lang war ich wie betäubt; ich konnte es nicht fassen. Dann hangelte ich mich wie eine Rasende den Zaun hinauf.
    »Was tut Ihr da?« Geoffrey Scovill packte mich am Arm, um mich zurückzuhalten.
    »Lasst mich los! Lasst los!« Ich riss mich aus seiner Umklammerung. »Ich muss ihm helfen.«
    »Ihm helfen? Warum denn, in Gottes Namen?«
    »Weil dieser Mann mein Vater ist«, schrie ich, bevor ich mich über den Zaun schwang und auf der anderen Seite zu Boden sprang.
    Mein Vater hatte Margaret fast erreicht. Aber die Soldaten waren ihm auf den Fersen, und ich sah, wie einer ihm einen Knüppel über die Schulter zog.
    »Nein«, schrie ich. »Nicht! Tut ihm nichts!«
    Einer der Soldaten fuhr herum. »Zurück!«, brüllte er und schwenkte seinen Knüppel nach mir, als wäre ich ein tollwütiger Hund. Hinter ihm versuchte eine Meute Soldaten, meinen Vater niederzuringen.
    »Vater, nein! Nein!«, schrie ich wieder und sah, wie er ruckartig den Kopf hob. Obwohl mindestens drei Männer ihn niederzuhalten versuchten, gelang es ihm, sich hochzukämpfen. »Joanna, weg hier!«, konnte er noch mit donnernder Stimme rufen, ehe ein Schlag vor die Brust ihn erneut zu Boden schleuderte.
    Ich wehrte mich, als jemand mich zurückreißen wollte. Aber es war keiner der Soldaten, sondern Geoffrey Scovill, der gleich nach mir über den Zaun gesprungen war. »Kommt zurück!«, beschwor er mich.
    Drei Soldaten stürmten uns entgegen. Ich sah den Knüppel durch die Luft sausen, bevor er Scovills Kopf traf. Der junge Constable brach bewusstlos zusammen und fiel in den Matsch.
    Gleich darauf hörte ich einen zornigen Schrei. Mein Vater hatte sich erneut befreit und lief direkt auf Margaret zu. Gerade als ein Soldat ihn einholte und ihm einen Knüppelschlag in den Rücken versetzte, riss er einen kleinen Gegenstand aus seinem Wams, ein dunkles Säckchen, das er noch im Fallen in die an Margaret emporschlagenden Flammen warf.
    Sekunden später gab es einen gewaltigen Knall, wie ein Dutzend Donnerschläge zugleich, und feurige schwarze Wolken wälzten sich mir entgegen.
    Dann versank alles in Schwarz.

Kapitel 4
    Ich sah zu, wie die Sonne hinter den Kirchtürmen von London unterging. Der feine Sprühregen hatte aufgehört. Am späten Nachmittag war die Sonne zu einem Feuerball erglüht, der die Wolken schrumpfen ließ und den feuchten Dunst aufsog, der an Füßen, Wagenrädern und Pferdehufen haftete. Jetzt hing sie flirrend über dem von Dächern und Türmen bedrängten westlichen Horizont, und meine auf sie gerichteten Augen juckten und brannten, ob von ihrenstechenden Strahlen oder vom schwarzen Qualm der vergangenen Stunden, wusste ich nicht.
    Ich saß mit gefesselten Händen in einem königlichen Flussboot, den Rücken in Fahrtrichtung. Ich konnte nicht sehen, wohin die Fahrt ging, aber an den

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