Die letzte Rune 03 - Der Runensteinturm
gekommen war, hier ein großartiges neues Königreich zu gründen. Er baute das Silver Palace Hotel und das Opernhaus, um acht Jahre später nach Philadelphia zurückzukehren, nachdem seine Frau an Tuberkulose gestorben und sein Herrenhaus außerhalb der Stadt vom Blitz getroffen worden und bis auf die Grundmauern niedergebrannt war.
Castle Peak. Der Name paßte, zumindest für den Augenblick, so lange, bis ein neuer Name daherkam. Und danach, wenn es wieder keine Menschen mehr geben würde und das Tal allein träumte, würde er nur wieder einfach der Berg sein.
Travis ergriff das Geländer. Er schloß die blauen Augen hinter der Nickelbrille, als er es sich vorstellte: Hoch oben auf dem Steilhang sprossen die ersten Espen, wisperten sich Blätter silbergrüne Geheimnisse zu, dann ertönte nur Augenblicke später das leise Dröhnen, wenn der Canyon sich räusperte und sich die Kiefern in einem anmutigen Tarantella wiegten. Er kam.
Travis wußte auf jeder Welt, wann der Wind nahte.
»Ich wußte, daß du zurückkommst«, hatte Max an jenem weißen Januartag gesagt, als Travis noch immer mit den von den Reisen abgenutzten Kleidern einer anderen Welt bekleidet den Mine Shaft betreten hatte.
Es war am Morgen gewesen, und der Saloon war bis auf die beiden Männer leer.
»Ich wußte es, Travis, obwohl … obwohl Jace sagte, du wärst zusammen mit Jack in dem Feuer gestorben. Ich habe alles für dich weitergeführt – die Bar, die Hypothek, die Bücher …«
Max’ Worte waren irgendwo in seiner Brust erstorben, aber das war schon in Ordnung.
»Es sieht großartig aus«, hatte Travis gesagt, als er seinen Freund umarmte. »Alles sieht großartig aus.«
So war Travis nach Hause gekommen.
Die folgenden Tage waren seltsam und zerbrechlich gewesen. In gewisser Weise fühlte er sich genauso fehl am Platz wie auf Eldh, wo er in Begleitung von Falken Schwarzhand gereist war. Dinge wie Toiletten mit Wasserspülung und elektrisches Licht und Pickup-Trucks hatten alle etwas Exotisches an sich. Aber genau wie auf Eldh wußte er, daß er sich daran gewöhnen würde. Er brauchte nur etwas Zeit.
Im Gegensatz zu dem neugierigen Barden fragte in Castle City niemand Travis nach seiner Geschichte – wo er denn mehr als zwei Monate gesteckt hatte und warum er zurückgekommen war. Aber die Menschen in Castle City stellten niemals viele Fragen. Es spielte eigentlich keine Rolle, wo man gewesen war, sondern nur, daß man da war.
Von ihnen allen wollte Jacine Windom noch am ehesten Informationen haben, aber die Fragen der uniformierten Polizistin waren zwar so scharf wie die Bügelfalten ihrer khakifarbenen Hosen gewesen, bewegten sich aber nur in eine ganz bestimmte Richtung.
»Waren Sie in der Nacht des Feuers im Magician’s Attic?« fragte Deputy Windom eines Nachmittags im Saloon. Sie saß kerzengerade auf einem Barhocker, Notizblock und Bleistift in der Hand.
»Das war ich«, antwortete Travis.
»Wissen Sie, was das Feuer verursacht hat?«
»Jack kämpfte mit einem Eindringling. Ich war draußen – Jack hatte mir befohlen, den Antiquitätenladen zu verlassen. Als ich mich umdrehte, stand alles in Flammen.«
»Konnten Sie den Eindringling genau sehen, bevor Sie flohen?«
»Nein. Das konnte ich nicht.«
Das hatte er erst später, als sie ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden. Im Weißen Turm der Runenbinder hatte er in fremdartige Augen geblickt und den Tod gesehen. Aber das sagte er Jace nicht.
Travis wartete auf die nächsten Fragen, aber Jace klappte ihren Block zu und stand vom Hocker auf.
»Ich glaube, das reicht, Travis. Ich rufe Sie an, wenn Sheriff Dominguez noch etwas wissen will.« Deputy Windom ging in Richtung Tür.
»Hat man ihn gefunden?« Travis schaute auf und erwiderte den Blick aus Jaces braunen Augen. »Hat man Jack gefunden?«
Sie preßte die Lippen aufeinander, dann nickte sie steif. »Auf dem Friedhof hat man einen Stein für ihn errichtet.«
»Ich werde ihn besuchen, Jace. Danke.«
Deputy Windom ging zur Tür, aber nicht, bevor sie sich noch nach Max umsah. Der Blick, den die beiden austauschten, verriet Travis, daß er in einer Sache recht behalten hatte: Jacine hatte ihren Hengst eingefangen. Max trug jetzt Jeans, Wranglers.
Aber vielleicht war es ja gar nicht schlimm, sich für einen anderen Menschen zu verändern. Manchmal glaubte Travis, eine solche Möglichkeit zu begrüßen, obwohl er nicht die geringste Vorstellung davon hatte, was er werden wollte oder für wen er
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