Die letzte Rune 03 - Der Runensteinturm
während Max offensichtlich stolz auf diese Tatsache war, hatte er an diesem winterlichen Tag im Januar nicht gezögert, Travis die Leitung zurückzugeben.
Travis war gern wieder in die Rolle des Saloonwirts geschlüpft. Wie alles andere auch aus seinem alten Leben vermittelte es ihm ein warmes und behagliches Gefühl. Und wie alles andere auch schien es seit seiner Rückkehr anders zu sein. Der Saloon hatte für mehr als zwei Monate Max gehört, ganz egal, was die Hypothekendokumente sagten.
Travis griff in eine Schublade, holte ein zusammengefaltetes Stück Papier hervor, legte es auf die Theke und schob es über das von Messereinkerbungen verunstaltete Holz Max zu.
Max starrte das Papier an, dann schaute er auf. »Was ist das?«
»Sieh selbst.«
Der ehemalige Buchhalter nahm es mit einem Stirnrunzeln. »Du hast doch nicht wieder die Buchhaltung gemacht, Travis, oder? Ich habe sie endlich halbwegs in Ordnung …« Er biß die Zähne zusammen und warf Travis einen traurigen Hundeblick zu.
Travis lachte. »Nein, Max. Ich habe nicht die Buchhaltung gemacht. Ich habe nicht mal herausgefunden, wo du die Bücher versteckst. Außerdem ist das in dieser Partnerschaft dein Job.«
Max blinzelte. »Partnerschaft?«
»Nicht, wenn du den Vertrag nicht unterschreibst.« Travis hielt ihm einen Kugelschreiber hin. »Mach schon.«
Max zögerte, dann akzeptierte er den Stift. Er entfaltete den Vertrag, als handele es sich um eine alte Schatzkarte, legte ihn auf die Bar und setzte mit sorgfältiger Handschrift seinen Namen darunter, genau neben Travis’ Unterschrift. Er faltete den Vertrag zusammen und hielt ihn hin.
»Danke.«
Travis nahm den Vertrag und warf ihn in die Schublade, dann sah er Max ernst an. »Du hast es verdient, Max. Der Mine Shaft gehört dir genauso sehr wie mir.«
Max nickte, dann grinste er plötzlich. »Bedeutet das also, daß in Zukunft einige der Telefonanrufe in diesem Saloon für mich sein werden?«
Travis legte seinem Freund die Hand auf die Schulter. »Ich weiß, du bist aufgeregt, aber sei jetzt bitte nicht albern.«
Bevor Max etwas erwidern konnte, ging Travis in Richtung Hinterzimmer und pfiff dabei fröhlich vor sich hin. Nur weil Max ab jetzt sein Partner war, hieß das noch lange nicht, daß er ihn nun nicht mehr quälen würde.
Später am Nachmittag verließ Travis den Mine Shaft, um in McKay’s General Store ein paar Türangeln für die quietschende Hintertür des Saloons abzuholen. Auf dem Rückweg machte er einen Abstecher ins Mosquito Cafe – wo aus einer schnellen Tasse Kaffee drei gemütliche Cappuccinos wurden, als diverse Ortsansässige reinkamen und ihn einluden.
Sobald er die von der Klimaanlage gekühlte Zuflucht des Cafes verlassen hatte, wünschte er sich, er hätte die Cappuccinos auf Eis bestellt. Die rote, aufgequollene Sonne sank der steinernen Brüstung des Castle Peak entgegen, als wäre sie zu schwer, um noch einen Augenblick länger am Himmel hängen zu können. Flirrende Hitzeschleier stiegen von der Elk Street auf; sie ließen Travis’ vom Koffein geschärfte Sinne schwanken. Er wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn.
Als er den Mine Shaft erreichte, fiel ihm eine Harley-Davidson auf, die neben Max’ rostendem Volvo parkte. Auf die eine Seite des nachtschwarzen Tanks war ein Keltenkreuz gemalt, von einem der Handgriffe baumelten ein paar vom Wind zerzauste Federn und geschnitzte Knochenperlen. Das Motorrad kam ihm irgendwie bekannt vor, aber er konnte sich nicht daran erinnern, wann und wo er es gesehen hatte. Er schob die Tür auf und trat in das willkommene Halbdunkel des Saloons.
Der Laden hatte sich in der Zwischenzeit gefüllt. Die Daughters of the Frontier waren zu ihrem vierzehntägigen Treffen gekommen, wie immer in ihre rot abgesetzten Overalls gekleidet; ihr blaues, an Zuckerwatte erinnerndes Haar schmolz in der Hitze. Zwei von ihnen spielten eine Partie Pool mit zwei hübschen, glattrasierten jungen Männern – nach ihren Doc-Martens-Stiefeln, den Freizeithemden und dem erstaunten Ausdruck auf ihren Gesichtern zu urteilen, kamen sie aus Denver. Das hatten sie davon, die Töchter der Grenze herauszufordern. Niemand in Castle City war dumm genug, mit diesen Billardhaien ein paar Stöße zu wagen.
Drüben neben der Jukebox tanzten Davis und Mitchell Burke-Favor zu dem tragischen Gesang Patsy Clines einen Two-Step. Wie immer trugen die beiden Männer zueinander passende Cowboyhemden mit geometrischen Mustern und
Weitere Kostenlose Bücher