Die letzte Rune 11 - Das Blut der Wüste
wollte sich abwenden, aber Grace schnappte sich ihre Hand mit überraschender Schnelligkeit und drehte sie um.
»Die Wunde ist klein«, sagte Grace in ihrem energischen Ärztinnentonfall. »Aber das ist eine Schwellung. Sie könnte infiziert sein.«
»Ich sagte, es ist nichts. Gestern in meiner Hütte in dem Dorf war ein Sandskorpion. Ich war so dumm, ihn nicht schnell genug zu zerquetschen, gab ihm Zeit, mich zu stechen. Aber ihr Gift ist schwach, ich habe es mit meinem Messer ausbluten lassen.«
»Gut. Dann sollte es gut heilen. Aber lasst mich Euch eine Salbe geben …«
»Ich brauche Eure alberne Nordmagie nicht«, sagte Kylees, riss sich los und stapfte aus dem Lager.
»Zu stolz, oder?«, meinte Travis und sah der Meuchelmörderin nach.
Grace seufzte. »Ich glaube, ich habe sie beschämt. Sie hätte sich nicht von diesem Skorpion stechen lassen dürfen. T'gol machen nicht gern Fehler.«
»Aber manchmal eben doch«, erwiderte Travis, dessen Blick zu Vani wanderte.
Grace hakte sich bei ihm unter. »Komm schon. Ich glaube, dein Hintern hat eine Verabredung mit einem Kamel.«
Sie brachen bei Anbruch der Abenddämmerung auf. Wie zuvor erstarben die Nachtwinde bald, und die Stille der Wüste wurde nur vom Knirschen sich setzenden Sandes gebrochen, ein unheimliches Geräusch, das Travis an ferne Stimmen denken ließ, die vor Schmerzen stöhnten.
Meister Larad schien sich etwas an das Trotten seines Kamels gewöhnt zu haben. Ihm schien nur noch erträglich übel zu sein, und Travis entschloss sich zu dem Versuch, ihn mit einem Gespräch von seinem Unwohlsein abzulenken. Mit einiger Mühe schaffte er es, sein Kamel in die Nähe des Runenmeisters zu lenken.
»Also, was ist so wichtig, dass Ihr Hunderte von Meilen reist, den Ozean überquert und auf einem Kamel reitet?«
Larad verzog das Gesicht. »Hätte ich gewusst, wie diese Reise sein wird, hätte ich es mir vielleicht anders überlegt.« Aus der Grimasse wurde ein bitteres Lächeln. »Aber ist das nicht immer so, Meister Wilder? Die Narren gehen blind dorthin, wo sich die Weisen nicht hinwagen. Und hier bin ich.«
»Und?«
»Und die Magie versagt, Meister Wilder«, sagte Larad, dessen Augen im Licht des Vollmondes funkelten. »Sowohl die Runenmagie wie auch die Magie der Weltenkraft, die von den Hexen betrieben wird.«
Travis stieß hörbar den Atem aus. »Das hat mir Grace erzählt. Aber ich glaube, ich wusste das schon, bevor ich nach Eldh kam. Auf der Erde war die Magie schon immer schwach, aber die letzten Runen, die ich dort sprach, schienen immer schief zu gehen, selbst wenn sie ganz einfach hätten sein sollen.«
»Die Runensteine zerbröckeln«, fuhr Larad fort. »So wie die gebundenen Runen. Versteht Ihr, was das bedeutet?«
Natürlich tat er das. Wie hätte er das nicht? Er war derjenige, der sie gebrochen und dann wieder gebunden hatte.
»Eldh«, sagte er leise. »Es ist eine gebundene Rune.«
»Ja, das ist es. Und wenn die Macht der Runen weiterhin schwächer wird, wird es bald nichts mehr geben, das diese Rune zusammenhält. Eldh wird gebrochen werden. Sobald die Magie endet, wird die Welt aufhören zu existieren.«
Travis fasste die Zügel mit tauben Händen fester. »Habt Ihr Grace das gesagt?«
»Die Gedanken Ihrer Majestät konzentrieren sich auf den Riss am Himmel. Und darauf, Euch zu finden. Ich sah keine Notwendigkeit dazu, noch mehr auf das Wissen aufzuhäufen, das bereits auf ihren Schultern lastet.«
»Sie glaubt, ich könnte den Riss aufhalten«, meinte Travis.
Die Narben, die Larads Gesicht durchzogen, schienen im Mondlicht silbern zu funkeln. »Das hat der Drache gesagt, und Drachen können nur die Wahrheit sagen. Ihr habt die Fähigkeit, die Letzte Rune zu entdecken, Meister Wilder, und sie anzuwenden. Aber da ist eine Sache, die Königin Grace nicht erkennt.«
Für Travis war sie so klar wie der Mond. »Das Ende der Magie. Wenn die Runen nicht mehr richtig funktionieren, wie kann ich dann die Letzte Rune sprechen? Oder sie binden?« Er schwitzte trotz der kühlen Luft. »Aber vielleicht ist ja noch Zeit. Die Magie hat nicht aufgehört zu funktionieren, jedenfalls noch nicht ganz.«
»Und doch wird sie jeden Tag schwächer, und Ihr erzählt mir, dass selbst simple Zauber versagen. Was ist mit größerer Magie? Habt Ihr in letzter Zeit irgendeinen mächtigen Runenzauber versucht? Vielleicht kann man sie nicht anwenden? Vielleicht ist es schon zu spät. Darum bin ich hergereist, um Euch das zu sagen.«
Sie ritten
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