Die letzte Rune 11 - Das Blut der Wüste
den Hals des Kamels losließ, gab der Wind etwas nach und die schrillen Stimmen wurden leiser. Er stürzte zu Boden, setzte sich wieder auf und hustete Sand aus. In dem schwachen Licht sah er Vani vor sich hocken.
»Bist du …«
Er ergriff ihre Hand. »Die Stimmen sind jetzt leiser.«
Sie nickte und verschwand. Einen Augenblick später trat Grace aus dem wirbelnden Sand und brach neben Travis zusammen, gefolgt von Meister Larad. Farr kam in Sicht gestolpert und ging neben ihnen in die Hocke. Sein Gesicht war eine Staubmaske, seine Augen schmerzverschleiert. Also hatte nicht einmal Farr der Macht der Stimmen mühelos widerstehen können. Aus irgendeinem Grund verspürte Travis eine grimmige Befriedigung.
Sie waren jetzt aus dem schlimmsten Wind heraus. Im Zwielicht konnte Travis auf drei Seiten um sie herum steile Abhänge ausmachen.
»Wo sind wir?«, rief er über den Wind.
»Ich weiß es nicht«, schrie Farr zurück. »Ich habe noch nie eine Düne in dieser Form gesehen. Aber die hohen Hänge beschützen uns.«
»Wir sind noch immer in Gefahr«, sagte Vani und trat zusammen mit den anderen T'gol aus einer Sandwolke. »Wir sind jetzt im Zentrum des Blutsturms. Wenn sich der Wind dreht und von Norden bläst, sind wir tot. Und selbst wenn sich der Wind nicht dreht, ist nicht gesagt, dass wir überleben. Bedeckt euch!«
Sie duckten sich am Fuß eines der Hügel unter ihre Decken, während um sie herum der Sturm wütete. Zeit verlor ihre Bedeutung. Da waren nur das Heulen des Windes und das Rauschen des Sandes und das Murmeln der Stimmen. Travis rollte sich neben Grace unter der Decke zusammen, während das auf ihm lastende Gewicht immer größer wurde …
Die Stille kam so plötzlich und war so total, dass sie ohrenbetäubend war und Travis' Ohren klingeln ließ. Er wollte sich aufsetzen, konnte sich aber nicht bewegen. Es war, als würden ihn starke Arme gepackt halten. Seine Lungen konnten sich kaum entfalten, um flach Atem zu holen. Grace gab neben ihm einen leisen Schmerzenslaut von sich. Er wollte nach ihr greifen, konnte aber nicht.
»Sie sind hier!«, rief eine Stimme, die jedoch wie aus weiter Ferne klang.
Ein schabender Laut ertönte, dann verschwand das beklemmende Gewicht plötzlich. Begleitet von rieselndem Sand wurde die Decke, die ihn und Grace bedeckt hatte, von ihnen weggerissen.
Luft strömte in Travis' Lungen. Das weiße Licht ließ ihn blinzeln, dann machte er zwei dunkle Silhouetten aus: Larad und Farr. Larad ergriff Travis' Hand und zog ihn aus dem Sand, während Farr Grace auf die Füße half. Sie hustete krampfhaft, aber sie winkte ab und bedeutete, dass sie in Ordnung war.
»Wir konnten keine Spur von euch finden«, sagte Larad. »Es war, als hätte euch der Sand verschluckt. Aber Kylees sagte uns, wir sollten hier graben, dass wir euch hier finden würden, ich weiß nicht, wie sie das wissen konnte.«
Travis sah sich um. Ein Teil der Düne war eingestürzt und hatte die Stelle unter sich begraben, an der er und Grace sich unter der Decke zusammengekauert hatten. Darüber ragte eine Reihe hoher, schlanker Umrisse aus der Oberseite der Düne, vom Sturm freigelegt. Im ersten Augenblick fragte sich Travis, ob das Bäume waren. Dann erkannte er, was es war: Steinsäulen, deren Spitzen abgebrochen waren, so dass sie wie eine Zahnreihe aussahen.
»Was ist das für ein Ort?«, krächzte er.
Farr sah sich um, kniff die dunklen Augen zusammen. »Einer, an dem wir nicht sein sollten.«
Es war keine natürliche Düne gewesen, die sie vor dem Sturm geschützt hatte. Sand hatte sie bedeckt, aber der Sturm hatte viel davon abgetragen und die Säulen und Wände aus pockennarbigem, gelbem Stein enthüllt. An einer Stelle führten die Reste einer breiten Treppe nach unten.
Grace drehte sich um. »Sieht wie ein Tempel aus.«
»Oder ein Palast«, sagte Farr und schüttelte Sand aus seinem schwarzen Gewand. »Das könnten die Ruinen von Golbrora sein, vielleicht auch eine der königlichen Villen in der Nähe von Xalas. Das ist schwer zu sagen. Diese Städte sind seit Jahrtausenden verloren, und man kann ihre genauen Standorte nur schätzen.«
Travis ging auf einen rechteckigen Steinblock zu, der zur Hälfte vom Sand enthüllt war. Der Stein war groß, der schmalste Rand war so lang wie seine Armspanne, und er verfügte über Inschriften, auch wenn sie zu verblichen waren, um sie näher in Augenschein nehmen zu können. Vielleicht, wenn er den dort noch anhaftenden Staub wegwischte …
Finger
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