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Die letzte Schoepfung

Die letzte Schoepfung

Titel: Die letzte Schoepfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Lewin
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monotoner Stimme seine Vorlesung hielt. Dem leiernden Klang seiner Stimme war anzuhören, dass er simples Grundwissen lehrte, doch ein Blick durch den Saal zeigte, dass mindestens die Hälfte der Studenten völlig den Faden verloren hatte.
    Das Umfeld mochte anders sein, doch beim Anblick des Professors und seiner Studenten kamen Sydney unerfreuliche Erinnerungen an ihre ersten Studienjahre in überfüllten Hörsälen. Sie dachte an die Vorlesungsreihe über Organische Chemie im zweiten Semester, an der zweihundert Studenten teilgenommen hatten, die größtenteils Medizin studieren wollten. Das Seminar hatte dazu gedient, die Spreu vom Weizen zu trennen. Am ersten Tag schon hatte der Professor den Studenten unverblümt erklärt, dass nur ein Drittel von ihnen es schaffen würde.
    »Sehen Sie sich die Kommilitonen rechts und links von Ihnen an«, hatte der Mann gesagt. »Nur einer von Ihnen dreien wird dieses Seminar abschließen.«
    Leider ging es den meisten Studenten nicht nur darum, das Seminar bloß abzuschließen. Während das Ziel des Instituts offenbar darin bestand, die Studenten auszusieben, damit die Seminare nicht überfüllt waren, brauchte jeder Anwärter auf ein Medizinstudium die Bestnote, um überhaupt zugelassen zu werden.
    Sydney fragte sich, ob auch Mulligan Studenten ›aussieben‹ wollte und deshalb ein offenbar so höllisches Tempo der Wissensvermittlung anschlug, dass viele bereits das Interesse verloren.
    Sie unterdrückte ihre instinktive Abneigung gegen den Mann und überlegte, ob er Dannys Vater sein könnte. Er war groß, fast einen Meter neunzig, und wirkte ein wenig ungelenk mit seinen langen Armen und Beinen. Er sah schwächlich aus, als hätte er niemals Sport getrieben oder gar körperliche Arbeit verrichtet. Sein Haar war braun, sein Teint hell. Aus der Ferne konnte Sydney seine Augenfarbe nicht erkennen, aber das spielte wahrscheinlich keine Rolle. Nichts an dem Mann verriet, dass er Dannys und Callies Vater war.
    Sydney kam zu dem Schluss, dass sie ihre Strategie ändern musste, wenn sie aus Mulligan etwas herausbekommen wollte. Er war nicht der Typ, der einer Doktorandin von einer anderen Fakultät behilflich sein würde. Wenn sie es auf diese Art versuchte, hörte er vermutlich nicht einmal zu. Timothy Mulligan schien sehr von sich eingenommen zu sein. Es musste schon jemand von gleichem Kaliber kommen, um seine Aufmerksamkeit zu gewinnen.
    Vermutlich hätte Sydney doch ihre Lederjacke und das Designertop anbehalten sollen. Sie überlegte, ob sie zum Wagen zurückgehen und sich umziehen sollte. Doch damit hätte sie Zeit und vielleicht die Gelegenheit verloren, Mulligan zu sprechen.
    Endlich hatte er seine Vorlesung beendet.
    Sydney wartete, bis der Saal sich geleert hatte, dann ging sie zum Pult. Einige Studenten hatten sich um Mulligan geschart und stellten Fragen. Er gab knappe, sachliche Antworten, wobei er sich wenig darum scherte, ob er auch verstanden wurde. Sydney fragte sich, ob er gern den angeblich Begriffsstutzigen spielte oder ob er wirklich nicht verstand, dass seine Zuhörer ihm nicht folgen konnten.
    Dann schien Mulligan von einem Augenblick zum anderen zu der Erkenntnis gekommen zu sein, für diesen Tag genug Weisheit verkündet zu haben. »Das war's für heute«, sagte er und packte seine Bücher zusammen.
    »Aber, Dr. Mulligan…«
    Er fegte an seinen Studenten vorbei, als wären sie lästige Insekten. »Sie wissen, wann meine Sprechstunde ist. Machen Sie einen Termin mit meiner Sekretärin, falls Sie noch Fragen haben.«
    Sydney wartete am Fuß der Stufen auf ihn. »Entschuldigung, Dr. Mulligan, hätten Sie wohl einen Augenblick Zeit?«
    Er sah sie kaum an und ging mit forschem Schritt in Richtung Ausgang. »Meine Sprechstunden sind an der Tür angeschlagen.«
    Sydney machte keine Anstalten, ihm hinterherzulaufen. »Ich bin keine Studentin.« Ein wenig Zorn in der Stimme konnte nicht schaden. »Ich bin Dr. Sydney Branning.« Sie gebrauchte ihren Mädchennamen, falls er die Nachrichten gesehen haben sollte, obwohl er nach einem Mann aussah, der niemals den Kopf aus dem Sand streckte – oder aus dem Labor, was aufs Gleiche herauskam. »Ich arbeite im Covenant Medical Center.«
    Mulligan stutzte und drehte sich noch im Gehen nach Sydney um. »Na, dann kommen Sie schon.« Er machte eine ungeduldige Geste, dass sie ihm folgen sollte. »Ich habe aber nur ein paar Minuten Zeit.«
    Sie ging neben ihm her und wartete darauf, dass er zuerst etwas sagte.
    »Sie sehen

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