Die letzte Schoepfung
zurück und brachte Geländekarten, eine Parkerlaubnis für den Wagen und einen Schlüssel an einem großen Holzring mit.
»Wir haben genau die richtige Jahreszeit ausgesucht«, verkündete er. »Jetzt ist kaum ein Mensch hier, und wir können uns ein schönes einsames Plätzchen mitten im Wald aussuchen.« Er warf einen Blick auf Danny, der immer noch missmutig aus dem Fenster starrte.
Als sie fünf Minuten später auf eine Lichtung gelangten, verspürte Sydney wieder den Wunsch, sie wären eine richtige Familie. Die Umgebung war sehr idyllisch und erinnerte sie an eine Illustration aus einem Kinderbuch. Ein bescheidenes Blockhaus stand auf einer Lichtung zwischen hohen Kiefern, deren weiche lange Nadeln den Boden bedeckten. Über die gesamte Breite des Hauses zog sich eine Veranda hin. An einer Eiche neben dem Haus hing ein Autoreifen, der als Schaukel diente.
Keiner sagte ein Wort, als sie ausstiegen. Sydney nahm an, dass die Schönheit des Ortes selbst Ethan verzauberte. Es war der perfekte Ferienort für die perfekte Familie. Leider traf das auf sie nicht zu.
»Es ist wie im Märchen«, schwärmte Callie.
Sydney schmunzelte. Es freute sie, dass die Gedanken des kleinen Mädchens in die gleiche Richtung gingen wie die ihren. »Welches Märchen denn? Hoffentlich nicht Hänsel und Gretel oder Rotkäppchen?«
Callie kicherte. »Nein. Ich glaub, Schneewittchen würde passen.«
»Dann sollten wir nach der bösen Stiefmutter Ausschau halten.« Sydney drückte Callies Hand.
Danny verdrehte die Augen und schlenderte mit dem Rucksack auf der Schulter zur Schaukel.
»Wie geht es dir denn jetzt?« Sydney fühlte Callies Stirn. »Kommt mir nicht mehr so heiß vor.«
»Mir geht's gut.«
Erleichtert lächelte Sydney.
»Lasst uns reingehen.« Ethan ging zur Tür. »Ich brauche jetzt 'ne Mütze Schlaf, dann fahre ich nach Champaign und rede mit Mulligan.«
»Allein?«, fragte Sydney, die ihm gefolgt war.
»Es ist am besten so.« Ethan schloss die Tür auf, drehte sich aber noch einmal zu ihr um, bevor er das Blockhaus betrat. »Wir können doch nicht alle zusammen bei ihm aufkreuzen.«
»Da hast du Recht. Aber ich finde nicht, dass du derjenige bist, der ihn aufsuchen sollte.«
»Wie wär's mit mir?«, hörten sie Danny fragen. Verblüfft fuhr Sydney herum und sah den Jungen hinter sich stehen. »Ich gehe zu ihm«, sagte er einfach.
»Diesmal noch nicht«, erwiderte Ethan, ohne den Jungen anzusehen. »Hier bist du sicher, während…«
»Ich gehe zu ihm«, wiederholte Danny. »Ihr könnt mich nicht aufhalten!«
Ethan warf dem Jungen einen strengen Blick zu. »Da sei mal nicht so sicher, Junge.«
Danny stieg die Stufen hoch und funkelte Ethan wütend an. »Er ist mein Vater, und…«
Sydney trat dazwischen. »Dieses eine Mal muss ich ihm Recht geben, Danny. Wir können nicht alle vier zusammen vor Dr. Mulligans Tür auftauchen.«
Danny richtete nun seine Wut auf sie. »Er wird mich aber sehen wollen!«
»Vielleicht, aber wir müssen es richtig machen.«
»Sie können mich hier nicht festhalten. Ich will…«
»Wir wollen doch nicht den weiten Weg umsonst gemacht haben«, fiel Sydney ihm ins Wort. »Wir sind gekommen, weil wir glauben, dass Dr. Mulligan vielleicht dein und Callies Vater ist.«
»Er ist unser Vater!«
»Du kannst nicht sicher sein, Danny.« Sydney wusste, das es grausam war, die Hoffnungen des Jungen zu dämpfen, doch noch grausamer wäre es, wenn Danny erkennen müsste, dass sie einem Phantom nachjagten. »Nicht, bevor wir mit ihm gesprochen haben.«
Danny presste die Lippen zusammen. Seine Kiefer mahlten.
»Selbst wenn Timothy Mulligan euer Vater ist, wird er euch nicht erkennen«, fuhr Sydney sanfter fort. »Ihr könnt euch ja nicht erinnern, jemals woanders als auf Haven gelebt zu haben, und das bedeutet, dass ihr Babys wart, als ihr euren Eltern weggenommen wurdet. Und wenn du jetzt einfach bei Dr. Mulligan auftauchst und behauptest, sein Sohn zu sein, wird er es für einen schlechten Scherz halten.«
Danny blickte noch finsterer, doch Sydney spürte, dass er ihr allmählich Recht gab.
»Du hast so lange gewartet, da wird es doch auf ein paar Stunden nicht mehr ankommen. Wenn Dr. Mulligan tatsächlich dein Vater ist, werden wir es noch früh genug erfahren.«
Und hoffentlich will er dich dann auch haben. Aber das konnte sie natürlich nicht zu ihm sagen, nicht zu einem Jungen wie Danny, der sich so verzweifelt eine Familie wünschte.
Obwohl Danny immer noch unglücklich aussah,
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