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Die letzten Dinge - Roman

Die letzten Dinge - Roman

Titel: Die letzten Dinge - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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sagte sich Gianna. Ganz klein. – Hatte einen Hintern wie zwei Hände so groß … Schiwrin, Schiwrin, der Mensch war verloren, trieb so allein auf der Erde herum … Gianna steckte den Kopf tief in die Schränke, prüfte Pullover um Pullover und Hemd für Hemd. Jedes Hemd, das sie herauszog, konnte das letzte sein. Sie kniff die Augen zusammen, betete unaufhörlich vor sich hin, fand endlich eine Auswahl von Socken und Hosen, etwas für oben, etwas für unten, da noch ein guter Winterpullover, vielleicht zu groß, egal, besser zu groß als zu klein. Das musste genügen.
    Sie drehte sich mit geschlossenen Augen, wollte tunlichst schnell die Kammer verlassen, blind und schnell, aber sie stieß sich an dem Tisch mit der Nähmaschine, an der die Meierin immer die alten Namensschilder aus den Kleidern trennte und neue hineinnähte. Manchmal war keine Zeit für neue Namensschilder. Da blieben die alten Namen drin und schon trug sie ein neuer Alter. Gianna holte tief Luft, öffnete die Augen … und sah es. Ein weißer Schatten, ein weißer Schatten, der an sie heranwollte, Gianna schrie gellend.
    Beinahe wären ihr die Kleider für Schiwrin aus der Hand gefallen und sie rannte, raste davon, stolperte durch die Hintertür hinaus aufs Dach, nein, Dach war auch falsch, sie musste hinunter, unter Menschen.
    Madona Santa, alle Eilige! schimpfte sie. – Warum ihr abte nicht geholfe!!
    Fiel um ein Haar die Treppe hinunter, trat beinahe die Tür vom Stationszimmer ein und warf alles auf das Sofa.
    Rosemarie schaute von einer Wunddokumentation auf.
    Was ist denn mit dir los?
    Ich gehe nichte mehr in de Kleiderkammer! Gehe ich nix mehr obbe hin! Warum alle macke nicht die Fenster auf, wenn eine stirbt? Obe at sich ein Seele verfloge!
    Was sagst du?
    Ab ich obe eine weiße Schatte gesehe, wie ein Frau, ich schwöre, bei Gott, bei Muttergottes, habbe ich gesehe, da iste was! Habe ich gesehe!
    Rosalinde atmete tief ein und ließ den Kugelschreiber auf das eng bekritzelte Blatt sinken. Decubitus. Anfangsstadium. Frau Wilhelm stündlich gelagert. Leichte Verfärbung. Maßnahmen.
    Da bist du nicht die Erste, sagte Rosalinde. – Und nicht die Letzte …
    Abbe andere auch schon gesehe ...?
    Rosalinde zwinkerte ein wenig, setzte die Brille ab und sah Gianna lange an.
    Tja …
    Gianna plumpste in den Sessel.
    Aber was … was solle macke?
    Rosalinde zuckte nur hilflos die Schultern.
    Gott musse helfe, der Gott in Himmel!
    Ach der, sagte Rosalinde. – Der ist doch blind und taub. Sitzt den ganzen Tag da oben und isst Philadelphia.
    Santa Maria, Sant’ Ambrogio, San Vincenzo. Was macke. Was macke? Der arme Gespenst at sich verfloge. San Bernardo, San Domenico, San Francesco.

Ein allerletzter Fisch   mit Kartoffelpüree und Petersilie, Kopfsalat und Kompott wartete einsam auf Lottas Wagen. Auf die Serviette hatte Schwester Rosalinde den Namen gekritzelt: Kurtacker. Herr Kurtacker. Dessen Zimmer sollte sie aber nicht betreten. Unschlüssig stand Lotta herum, Schwester Nadjeschda war schon fort und Gianna half auf der anderen Station aus. Je kälter der Fisch wurde, umso schlimmer konnte es mit Herrn Kurtacker werden. Er sei ungeduldig, hieß es. Er werfe mit Bierflaschen, hieß es. Er sei noch nicht mal ein richtiger Mensch, hatte Gianna gesagt. – Er ist kein Tier … er ist kein Mensch … er ist der … KURTACKER!!!
    Lotta hatte einen Schlüssel bekommen, für alle Fälle. Wenn mal was sei. Sie betrachtete den Schlüssel und ließ ihn einmal hin- und herpendeln.
    Ach, was soll’s.
    Sie würde schnell das Essen hinstellen und wieder fortlaufen. Ganz fix ging das. Herr Kurtacker hatte ein Recht, normal zu essen, auch wenn er selbst nicht normal war. Wenn man ihn nicht normal behandelte, wurde er vielleicht noch schlimmer. Denn Gianna hatte gesagt: Wenn er guckte, aus die schiefe Auge, durch die schwarze Haar, wenn hat diese Blick – dann iste richtiger Teufel!
    Lotta schluckte. Krallte sich das Tablett und trug es wie zum Schutze vor sich her. Nahm den Schlüssel und drehte ihn dreimal um. Die Tür öffnete sich. Da saß Herr Kurtacker mit dem Rücken zu ihr. Nackter Oberkörper. Roter Rollstuhl. Ein mit Taschen und Klamotten voll geladener Fernsehsessel. Den Kopf seitlich aufgestützt, sah er aus dem Fenster. Vor seinem Fernseher standen in Reih und Glied etwa fünfzig verschiedene Figuren aus Überraschungseiern. Der Fernseher war aus, die Musik ebenso. Das Bett war zerwühlt und schmutzig. Aus der Nachttischschublade quollen

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