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Die letzten Dinge - Roman

Die letzten Dinge - Roman

Titel: Die letzten Dinge - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Schmerzen in deine Kopf?
    Schiwrin schüttelte den Kopf. Warum fragten sie nur immer nach Kopfschmerzen? Er hatte keine Kopfschmerzen. Er kam nur von der Toilette nicht runter. Der Bauch, der war es. Der schien alles nach außen stülpen zu wollen. Auch jetzt trieb es ihn wieder zur Toilette, dumpf, unerbittlich, wenn nichts passieren sollte, dann musste er sofort gehen.
    Hilf mir auf die Toilette.
    No gutt.
    Najdeschda nahm ihn unter dem Arm und führte ihn langsam, sie hatte so viel Kraft, sie hätte ihn tragen können. Najdeschda ist wie ein Doktor, sagten die anderen. Sie wusste alles, sie konnte alles, sie wachte streng die Ausführungen der Pflegehelfer.
    So. Gehst du Toilette und wann fertig, dann du klingelst – ich komme helfen! Muss pflege lassen. MUSS!
    Sie schob ihn auf die Toilette und ging ihrer Wege. Ewig noch hörte man die Gummisohlen der ausgetretenen, weißen Clogs über die Gänge quietschen, da ging sie und sprach unentwegt mit sich selbst.
    Uui, muss ich noch Verbände machen, muss ich noch Medikamente stellen, muss ich noch Frau Schlecker Sprietze geben, uuh, wann ich soll das machen, uuui, bin ich kapuut, … Rucken schon geplatzt.

Was sollte sie   später Schwester Rosalinde sagen? Wenn ein Teller fehlte? Oder sie Herrn Kurtacker besuchte und da klebte ein Fisch an der Wand? Lotta konnte auf keinen Fall wieder in sein Zimmer gehen! Vielleicht Ivy? Konnte Ivy später unauffällig den kaputten Teller und den Fisch an der Wand herausholen?
    Es war aber Rosalinde, die da den Gang entlangkam, sie sah aus wie von hinten beleuchtet, das war das Licht aus dem Westfenster, es strahlte sie an, Rosalinde, der ramponierte, flügellahme und geschlagene Engel der Station.
    Und? Wie ist es? Kommst du klar?
    Ja, na klar, das geht schon.
    Schön, wunderbar. Gut, dann, dann hänge ich jetzt mal Herrn Bellheim neue Nahrung an. Also, wenn was ist, kannst du mich jederzeit rufen, ja?
    Stationsschwester Rosalinde mit den fortgeflogenen Haaren. So viel gerannt, da waren ihr die Haare fortgeflogen. Die kastanienbraune Frisur, die ihr geblieben war, stand leicht zerzaust, vermutlich gerauft, entgegengesetzt der Fahrtrichtung. Sie zwinkerte nervös unter der Brille, griff nach einem zerknitterten Zettel und las:
    Herr Bellheim, Nahrung, 500 ml, Katheterbeutel.
    Gut, ich mach dann mal, also wenn was ist, ich bin da hinten bei Herrn Bellheim, … siehst ja, wo die grüne Lampe brennt.
    Bei Rosalinde brannten immer alle Lampen, die roten und die grünen, ihr brannten die Sohlen, ihr brannte das Haar, sie verbrannte sich bei jedem Meter, den sie über die Gänge rannte, verbrannte die ganze Mütterlichkeit, sie rannte und brannte, irgendwann würde sie verglüht sein. Aber noch hatte sie gut 60 Kilo, 60 Jahre auf dem Buckel, noch konnte sie einigermaßen alles essen, wenn auch keinen Zucker. Der Bauch war rund genug, da ließ sich gut hineinspritzen. Rosalinde war niemals krank. Nie. Auch wenn ihr das Herz schmerzte und ihre Haut fahl wurde, auch wenn sie nach Luft rang und über den Dienstplänen japste, auch wenn sie sich häufiger mal setzen musste und sich selbst so viele Tabletten zuteilte wie all den Hilfsbedürftigen der Station, Rosalinde war niemals krank. Lange nicht so krank wie die anderen, die alle vier Wochen mal umfielen und für einige Tage verschwanden, sich auftankten, heimlich dicke Butterbrote aßen, um Kraft zu kriegen, um wiederzukommen, um wiederkommen zu können. So krank war Rosalinde nie.
    Ist noch Fisch da von heute Mittag? Irgendwo ein Rest?, fragte Ivy und lehnte sich in den Türrahmen des Stationszimmers.
    Also, ein Fisch ist bestimmt noch übrig. Der klebt bei Herrn Kurtacker an der Wand.
    Ivy beugte sich erschrocken zu ihr.
    Du warst bei Kurtacker drin? Das sollst du doch nicht! Der ist doch … der ist doch … ei ei ei … du … Nase!
    In Lottas Augen sammelte sich plötzlich das Wasser. Ein Tropfen der Erinnerung an den ganzen unglücklichen Moment, als sie vom Scherbengericht bedroht war, von einem fliegenden Fisch.
    Ivy sah Lottas Augen tropfen, packte sie am Genick wie ein Karnickel und schüttelte sie hin und her.
    Das hätte aber schief gehen können!
    Ja, aber es war ja keiner von euch da … und wieso ist der überhaupt im Pflegeheim? Der gehört ja in die Klapse. Tschuldigung.
    Na ja, seine Mutter, weißt du. Seine Mutter lebt hier um die Ecke. Sie will ihn immer besuchen. Da hat sie uns gebeten …
    Aber der ist doch noch gar nicht so alt!
    Noch keine fünfzig. Es gibt keine

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