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Die Letzten ihrer Art 01 - Der letzte Elf

Die Letzten ihrer Art 01 - Der letzte Elf

Titel: Die Letzten ihrer Art 01 - Der letzte Elf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana de Mari
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das ist für ein junges Mädchen die Vollkommenheit...«
    Laute, Gesang, Schaukel und Blumen von früh bis spät, Tag für Tag. Yorsch begann, eine Spur Mitgefühl mit der armen Aurora zu empfinden, die gezwungen war, in sklavischer Nachahmung einer Prinzessin aus irgendeinem blödsinnigen Märchen zu leben, die vielleicht nie existiert hatte! Das also war der Grund, warum sie eine so unsäglich blöde Gans war, die Vollkommenheit musste eine unerträgliche Last sein.
    »Aurora ist meine Tochter und mithin Erbin Arduins, denn da ich Herr der Stadt bin wie er, bin ich sein Nachfahr.« Der Richter hatte seine Stimme erhoben, und jetzt sprach er die Worte deutlicher aus, wie um ihnen mehr Nachdruck zu verleihen.
    »Außerdem besitzt Aurora die Fähigkeit, die Zukunft vorherzusagen, weißt du? Einmal hat sie geweissagt, dass sie die goldene Halskette der Frau des Kommandanten der Wachkompanie bekommen würde, und rate, was geschah? Es stellte sich heraus, dass er ein Verräter war, er wurde gehängt und sein Besitz beschlagnahmt und die Goldkette gehört nun Aurora... Auch als sie im vergangenen Sommer vorhersagte, dass die Trockenheit irgendwann aufhören und es im Herbst regnen würde, hat sie recht behalten.«
    Ein unbestimmtes Lächeln der Genugtuung ließ die Züge des Richters ein paar Augenblicke lang freundlicher erscheinen. Yorschs Inneres war in Aufruhr. Aurora! Diese unerträgliche, schändliche Idiotin von der Schaukel? Die imstande war, ein kleines Kind stundenlang weinen zu lassen? Es tat ihm ja leid für sie, ihr Schicksal war bestimmt auch nicht leicht, ja unerträglich gewesen, aber mit ihr ein neues Geschlecht zu gründen, davon konnte ja gar keine Rede sein. Nie und nimmer. Lieber der Galgen. Nie. Um nichts in der Welt. Sein Schicksal war hier zu Ende, und gute Nacht, Arduin und seine Prophezeiungen! Vielleicht hatte sich ja bei dem armen Arduin auch das Alter bemerkbar gemacht. Das Licht musste ihn ab und zu geblendet haben und in seinem Kopf waren die Schatten durcheinandergeraten. Gegen die Riesen Krieg zu führen, war bestimmt kein Spaß gewesen. Während irgendeiner Belagerung musste Arduin mit dem Kopf gegen etwas sehr Hartes gestoßen sein, und da war ihm in den Sinn gekommen, dass er Aurora heiraten könnte.
    Jetzt war das Problem, Robi zu befreien, sich so schnell wie möglich aus dem Staub zu machen und den Richter und seine Tochter mit ihren genialen Vorhersagen hinter sich zu lassen. Der Richter hielt seinen Bogen mit den drei Pfeilen und das blaue Samtsäckchen in Händen.
    »Sehen wir einmal, was du bei dir hattest, Elf, um uns zu vernichten. Dein Bogen und die drei Pfeile sind in meiner Hand. Was ist da sonst noch?«
    Der Richter zerriss das Samtsäckchen. Die goldenen Bohnen fielen heraus und rollten am Boden.
    Ihr Duft war für menschliche Nasen zu zart, nicht aber für Elfennasen.
    Während sie über den Boden rollten, spürte Yorsch ihren feinen, aber unverwechselbaren Duft, süß und durchdringend wie frisch gebackenes Brot.
    Yorsch erinnerte sich an die Ratten.
    Die fetten, großen Ratten im Gefängnis von Daligar hatten ihm schon einmal geholfen, als er noch ein Kind war.
    Auch sie rochen den Duft der Bohnen und waren ganz erfüllt davon. Ratten sind leicht zu beeinflussen. Da waren Tausende von ihnen. Yorsch spürte sie. Er spürte ihren ewigen, unstillbaren Hunger, ihre Wut, den Groll über all die Fußtritte, die Steinwürfe, die zum Spaß auf sie abgeschossenen Pfeile und die vergifteten Köder. Tausende, in allen Verliesen, verhungert, wütend, böse.
    Yorsch atmete ein und fühlte, wie die Luft ihm die Lungen weitete und seine Kräfte zunahmen. Er wusste, was zu tun war. Er würde die Ratten benutzen. Er verstärkte den Duft der goldenen Bohnen, damit ergriff er Besitz von ihnen und lenkte sie.
    »Kinderspielzeug.« Der Richter ließ den Kreisel auf den Boden fallen und zertrat ihn. »Und... ein Buch! Interessant, nicht wahr...?«
    Die Ratten begannen, aus dem Dunkel hinter den Gitterstäben und aus den Seitengängen herbeizuströmen. Einige liefen über die Wände herab, wozu sie die Friese zwischen den Fackeln nutzten. Es waren noch nicht viele, ein paar Dutzend. Yorsch nahm ihnen die Angst. Weitere kamen, dann mehr und immer noch mehr. Sie gingen auf die Bohnen los, unbekümmert um die Soldaten, ohne jede Angst. Eine Woge aus Fleisch, Fell und winzigen Zähnchen schwappte über die Füße der Männer. Die Soldaten versuchten auszuweichen, beiseitezugehen und stießen sich

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