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Die Letzten ihrer Art 01 - Der letzte Elf

Die Letzten ihrer Art 01 - Der letzte Elf

Titel: Die Letzten ihrer Art 01 - Der letzte Elf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana de Mari
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beugte sich über den Drachen und umarmte ihn. Er grub sein Gesicht in sein smaragdgrünes Fell und verharrte so. Der Drache schrie vor Freude. Diesmal fuhr sein Feuerstrahl wie ein langes, goldenes Lichtschwert über den Himmel.
    Die Sonne stieg zum Horizont hinab und verschwand. Am Himmel gingen die Sterne auf. Eine winzige Insel mit einem riesigen wilden Kirschbaum darauf war das einzige Fleckchen Erde, das zu erblicken war. Abgesehen davon bildete der Horizont, an dem Himmel und Meer sich berührten, ringsum einen perfekten, makellosen Kreis.

KAPITEL 7
    R obi lag in der Sonne und ließ die Zeit verrinnen wie Wasser.
    Seitdem der Drache den Himmel mit seinen Flügeln grün gefärbt hatte, hatten sie nicht mehr arbeiten müssen. Iomir wurde nicht verfolgt. Auch das Essen war eine Spur besser geworden und sie selbst war nicht bestraft worden. Das Unfassliche hatte sich ereignet. Auch wenn seither nur wenige Tage vergangen waren, die Erinnerung an das Ereignis war dermaßen verschwommen, war zu so vielen aufeinanderfolgenden Versionen verarbeitet worden, dass das, was wirklich geschehen war, nicht mehr zu ergründen schien.
    Am Ende war die allgemein anerkannte Version die, dass ein Drache am Himmel erschienen war, die arme Iomir geraubt hatte und dass die übrigen Waisenkinder nur durch den tapferen Einsatz Stramazzos gerettet worden waren, der das Ungeheuer schließlich blutüberströmt in die Flucht geschlagen hatte. Das Erheiternde an der Sache war - vorausgesetzt, man brachte eine gehörige Portion Humor mit -, dass nach dem dritten Mal Erzählen wirklich alle daran glaubten. Die Wahrheit war im Boden versickert wie der Saft der gepressten Trauben. Robi war nicht einmal bestraft worden. Im Gegenteil, in den verschiedenen Versionen der Geschichte war sie, wenn nicht zur Heldin, so doch zu einer der Hauptfiguren geworden: diejenige, die Alarm gegeben hatte. Wenige Schritte von ihr entfernt, erzählte Tracarna, an einen Zaun gelehnt, dem Abgesandten aus Daligar die Geschichte: »… und da hat dieses Mädchen Robi Alarm geschlagen. Sie ist die Tochter von wirklich üblem Gesindel, das schlimmste...«, seufzte sie; »zum Glück hat die Justiz sich ihrer angenommen. Dank der hier erlernten Moral hat Robi sogar etwas Richtiges getan. Bestimmt geschah das nicht nur aus Liebe zur Gerechtigkeit, sicher auch aus Angst vor dem Drachen...«, sie lachte kurz, »aber dank unseres Einflusses hat sie jedenfalls das Richtige getan. Und dann hätten Sie ihn sehen sollen, Stramazzo meine ich...«, sie hielt gerührt inne, blickte in unbestimmte Ferne, »er sprang auf, packte eine enorme Kiepe voller Trauben und schwenkte sie wie einen Schild...«
    Also keine Strafe für Robi, kein Spürhund auf Iomir gehetzt, die offiziell für tot erklärt wurde, und vier Auszeichnungen für Stramazzo: für Tapferkeit vor dem Feind, Großzügigkeit gegenüber Kindern, die er, obwohl sie es nicht verdienten, vor dem Ungeheuer gerettet hatte, Standhaftigkeit vor der Gefahr und Handeln zu Ehren von Daligar, denn in dem Moment, als er das Ungeheuer verjagte, indem er ihm die Kiepe entgegenschleuderte …
    »… warf sich Stramazzo mit dem Ruf ›Für Daligar und seinen Verwaltungsrichter‹ dem Drachen entgegen. Genau so ist mein Gemahl mit seiner Kiepe auf ihn losgegangen, brüllend wie ein Held...«, sie seufzte kurz vor Rührung und verdrückte eine Träne. »Das Ungeheuer war so erschrocken, dass es floh! Es hat seine riesigen Flügel ausgebreitet, das, was von der kleinen Iomir übrig war, noch in den Klauen, und...«
    Robi war froh, dass Iomir frei und bei den Ihren war, aber sie vermisste sie auch schrecklich. Mehr denn je hätte sie jetzt jemanden zum Reden gebraucht, um sich an das Geschehene zu erinnern und es zu verstehen.
    Ein wirklicher Drache war am Himmel erschienen. Grün. Wie in ihrem Traum. Die Drachen waren also doch nicht ausgestorben und ihr Traum war keine bloße Einbildung. Obwohl sie gegen die Sonne schauen musste und dadurch geblendet war, hatte Robi eine menschliche Gestalt erkennen können, die in seinen Klauen hing und gefährlich im Leeren schwebte. Es hätte durchaus eine Beute des Drachen sein können, eine Kreatur, die er mit seinen Klauen gepackt hatte, aber während Robi hinsah, hatte die Figur eine Rolle rückwärts gemacht, sich auf den Rücken des Drachen geschwungen und bequem dort hingesetzt. Da hatte man sie einen Augenblick lang gesehen, schwarz zeichnete sie sich gegen die strahlende Sonne ab. Sie hatte die

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