Die Letzten ihrer Art 01 - Der letzte Elf
verhohlenem Stolz begann er, seine beiden Pläne darzulegen, Plan A und Plan B. Die Idee war, leise in den Schafstall einzudringen, und zwar der... ähem... Unauffälligere von beiden, also er, Yorsch, während Erbrow Rückendeckung geben würde, bereit, jedwedes Einkesselungsmanöver abzuwehren und den Fluchtweg frei zu halten …
In diesem Augenblick begannen die Gänse zu schnattern. In einem vor Schlamm und Regen grauen Universum, im eingezäunten Hühnerstall von Tracarna und Stramazzo, vor deren hübschem Häuschen aus Stein und Holz, an dem sich der Wein hinaufrankte, spiegelte sich eine kleine Schar von vier Gänsen mit ihren schneeweißen Flügeln in einer Pfütze, sodass sie doppelt erschienen. Sobald Yorsch näher kam, brachen sie in so lautes Geschnatter aus, wie er es noch nie gehört hatte. Der junge Elf erinnerte sich, dass in der Antike die Könige zur Bewachung ihrer Paläste Gänse verwendeten, um sie vor Eindringlingen, Dieben und fremden Eroberern zu schützen, und die Klugheit dieser Maßnahme leuchtete ihm ein. Tracarna und Stramazzo stürzten in den Hof herunter, natürlich in Unterhosen. Die Soldaten stürzten aus ihren Schilderhäuschen, natürlich bewaffnet und mit gespannten Bogen. Alle blieben einen Moment lang stehen und sahen sich an, dann trat der Drache aus seiner Unbeweglichkeit heraus. Er sperrte das Maul auf und stieß ein furchtbares Gebrüll aus, dabei spie er einen sehr langen Feuerstrahl aus, der zischend durch den Regen fuhr und ihn zu einem schmalen Nebelstreifen verdampfen ließ, hinter dem die allgemeine Flucht verborgen blieb: Tracarna allen voran, die von ihren Rüstungen behinderten Soldaten hinterher, zuletzt Stramazzo, der seinen riesigen Hintern mit einem zart erbsengrünen Etwas bedeckt hielt.
Nur die Kinder waren noch da, immer noch eingesperrt in ihrem dreckigen Schlafsaal.
»Wie sah Plan B aus?«, erkundigte sich der Drache höflich.
Für das Schloss genügte Yorschs Gedanke: klank .
Die Tür sprang auf. Ein Dutzend verschreckter Kinder stand zusammengedrängt in einer Ecke und sah Yorsch an, vor allem aber Erbrows Schatten hinter der Tür.
»Ich hab mir in die Hose gemacht«, flüsterte weinerlich einer der kleineren Jungs.
»Bestens, das war eine gute Idee«, tröstete ihn Cala, »so bist du nicht so gut zum Fressen.«
»Ich heiße Yorsch«, stellte der Elf sich vor. Er war es leid, dauernd Gesundheit gewünscht zu bekommen, und hatte beschlossen, sich auf die Kurzform seines Namens zu beschränken.
Die Kinder blieben weiterhin auf einem Haufen beieinanderstehen. Das verschreckte Weinen ging weiter und nahm einen schrilleren Ton an.
»Tu etwas, um sie zu beruhigen«, sagte der Elf zum Drachen.
Erbrow war verdutzt, rang nach Luft und suchte in seinen verschiedenen Erinnerungen nach einer Idee, dann zog er in dem Versuch zu lächeln sein Maul in die Breite und man sah von den mittleren unteren Reißzähnen bis zu den hinteren Backenzähnen alle und das verängstigte Geheul der Kinder schwoll noch weiter an.
»Etwas Besseres!«, stöhnte Yorsch.
Das Lächeln wurde noch breiter: Nun sah man auch die hinteren unteren Reißzähne, die nicht nur länger, sondern auch gekrümmt waren. Viele Kinder warfen sich zu Boden und flehten, sie bitte nicht zu fressen.
»Aber was soll denn das, so ein Unsinn! Drachen fressen nie Menschen!«, sagte Yorsch verzweifelt. Er hatte bemerkt, dass Robi fehlte. Er musste möglichst schnell einen von ihnen beruhigen, um sich erzählen zu lassen, was mit Robi geschehen war.
Der Lärm ging weiter, schwoll noch mehr an, Seufzer wechselten sich ab mit Bitten um Gnade. Jetzt flehten sie Erbrow an, sie nicht zu fressen, und ihn, den schrecklichen Elfen, sie nicht durch seinen Zorn zu töten.
Yorsch wusste nicht, was tun. Alles, was ihm in den Sinn kam - schreien, die Arme schwenken, die kleine Fackel am Eingang anzünden -, erschreckte die Kinder nur noch mehr.
Endlich übertönte ein ungeheures Gebrüll den ganzen Lärm und wieder fuhr ein Flammenstrahl mit seinem Licht durch das Dunkel. Der Geruch nach gebratenem, leicht verkohltem Fleisch lag in der Luft. Mit einem Mal trat völlige Stille ein.
»Wer will ein bisschen Gänsebraten?«, fragte der Drache. »Eine schöne, fette Gans, während ihr jämmerlich und bis auf die Knochen abgemagert seid! Glaubt ihr vielleicht, wenn ein gut gefüllter Hühnerstall zur Verfügung steht, würde ich mich dazu herablassen, Knochengerippe mit Flöhen zu verspeisen? He, ihr zwei da,
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