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Die Leute mit dem Sonnenstich

Die Leute mit dem Sonnenstich

Titel: Die Leute mit dem Sonnenstich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Ahnung.«
    Drüben sang Michael. Er hatte keine üble Stimme. Und über das Wasser hin schallte sie, als ob er in der Badewanne säße. Es war die Falstaff-Arie: Als Büblein klein an der Mutterbrust... Ein genußsüchtiger Mensch!
    Marion schüttete das Mehl in eine Schüssel. Alles, was sie mitgebracht hatte. Darm sah sie die Eier mißtrauisch an. Dunkle Kindheitserinnerungen stiegen in ihr auf, wie die Köchin — klack — ein Ei nach dem anderen auf dem Schüsselrand zerschlagen, und dann irgend etwas gemacht hatte. Was nur? Auf jeden Fall aber, das war deutlich, hatte das Fett, während der Teig zubereitet wurde, schon in der Pfanne gebrutzelt. Sie ließ also die Schüssel stehen, schürte tüchtig ein, setzte die Bratpfanne aufs Feuer und schnitt den schön durchwachsenen Speck streifenweise in die Pfanne hinein. Richtig, er begann bald, sich an den weißen Rändern goldgelb zu färben und Saft zu verlieren. Aber jetzt mußte mit den Eiern etwas geschehen. Was sie machen sollte, waren Eierkuchen, also lag nichts näher, als alle Zutaten gut miteinander zu vermischen. Darum: hinein ins Mehl mit den Eiern.
    Sie spürte, daß da etwas nicht ganz stimmte. Sie vertraute halt ihrem guten Stern. Aber nicht jeder Mensch ist ein Kolumbus, besonders nicht, wenn es auf Kunststücke mit Eiern ankommt!
    Das wurde ein zäher, klebriger Brei, den sie da anrichtete, mit ungelösten Mehlklunkern und sämigen Eiweißfäden, die sich nicht verrühren lassen wollten. Dazu herrschte in dem winzigen Hüttchen trotz geöffneter Tür eine Bullenhitze, denn die Herdplatte glühte, und das Fett in der Pfanne zischte. Und vielleicht wäre Marion trotz aller Zubereitungsfehler noch irgend etwas halbwegs Schmackhaftes und Eßbares gelungen, kein Eierkuchen natürlich, aber so etwas wie der Ansatz zu einem Kaiserschmarren, wenn sie daheim vor dem Gasherd mit regulierbarer Flamme gestanden hätte. Aber als sie hier den Teig mangels einer Schöpfkelle in die auf der Höllenglut schmorende Bratpfanne eingoß, schwappte das zischende Fett am Rande hoch, spritzte auf den Herd und auf ihre Hand, die die Schüssel hielt, sie ließ vor Schmerz die Schüssel mit dem darin befindlichen Teig fallen, und im gleichen Augenblick fing auch schon das an den Pfannenrand gedrückte Fett Feuer, und die Pfanne brannte lichterloh wie ein Opferbecken. Furchtbarer Augenblick! Im nächsten Moment konnte das Dach, konnte sie selber Feuer fangen. Mit einer Reflexbewegung griff sie nach dem Pfannenstiel, mit einem Schwung beförderte sie Pfanne samt lohendem Inhalt ins Freie, und dort brannte sie langsam aus. Was zurückblieb, war ein stinkender, schwarzer diskusförmiger Kohlefladen. Und zu allem Unglück stieg Michael gerade jetzt fröhlich aus dem Wasser, mit seinem Mordshunger, heiter gelaunt durch die in Aussicht stehende Mahlzeit. Sogar ein paar Handvoll Kresse hatte er mitgebracht, um das Mahl durch einen würzigen und vitaminreichen Salat zu bereichern. Als er die Bescherung sah, war er zunächst ganz stumm, stumm und sprachlos vor Enttäuschung.
    »Das Feuer...!« sagte Marion kläglich. Ein psychologischer
    Fehler. Still hätte sie sein müssen, anstatt dem Feuer die Schuld zu geben, oder sie hätte ganz dreist erklären sollen, jawohl, so stände es um ihre Kochkünste!
    »Also das Feuer?« knurrte Michael. »Natürlich, das Feuer!« Er sah den verunglückten Eierkuchen traurig und verkohlt am Boden hegen, beförderte ihn mit einem einzigen Fußtritt ins Wasser und schmiß die Kresse hinterdrein. Er hätte es sich eigentlich denken können, was sie zustande bringen würde, allein nach ihrer Würstchenkocherei gestern abend. Nicht einmal die waren ihr gelungen, sondern sie waren von oben bis unten geplatzt und hatten allen Saft verloren und wie Stroh geschmeckt!
    Er brüllte nicht etwa, er schrie sie nicht an, seine Stimme war fast sanft: »Sagen Sie mir nun einmal, mein verehrtes gnädiges Fräulein, was Sie eigentlich verstehen. Was können Sie und was haben Sie bisher in Ihrem Leben gelernt? Sie können weder Würstchen heiß machen noch Eier abkochen. Und einen Riß im Boot zu flicken ist auch bereits zuviel verlangt. Haben Sie zum Beispiel eine Ahnung davon, daß man Setzeier auf einem Bügeleisen braten kann? Tipptopp wie aus der besten Hotelküche? Wissen Sie, wie man mit einem Ende von einer Gardinenschnur und einem Stückchen Holz eine tadellose Lunte herstellen kann, wenn einem einmal die Zündhölzer oder das Benzin für das Feuerzeug

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