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Die Leute mit dem Sonnenstich

Die Leute mit dem Sonnenstich

Titel: Die Leute mit dem Sonnenstich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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war oder sogar schon von Steffen den Auftrag erhalten hatte, etwas zur Rettung der Familie Keyser zu unternehmen.
    Das also war es nicht, was Herrn Keyser bedrückte. Ihm lagen andere Dinge am Herzen. Und da er befürchtete, Marion könnte eher zurückkommen, als ihm in diesem Augenblick lieb war, ging er ohne viele Winkelzüge auf sein Ziel los. Natürlich tappte er nicht wie ein Tölpel in diese schwierige und höchst diffizile Angelegenheit hinein, dazu waren seine Umgangsformen auch viel zu geschliffen; immerhin wurde er deutlich genug, so daß Michael ihn nicht mißverstehen konnte.
    Marion sei — so begann er etwa — ein kapriziöses, nicht gerade einfach zu behandelndes Mädchen, und er persönlich gönne ihr und auch Herrn Prack dieses kleine Abenteuer von ganzem Herzen, wenn auch dadurch seine Lieblingspläne ein unheilbares Fiasko erlitten hätten. Er mache Herrn Prack beileibe keinen Vorwurf daraus, und er freue sich, auch ohne daß er über Herrn Steffen lang und breit rede, daß Herr Prack bereits verstehe, wie er das meine. Und natürlich sei Herr Prack ein ehrenwerter Mann mit einer großen Zukunft in Persien. Und Flieger dazu. Und, wie er selber zugeben müsse, ein Mann von bestechendem Äußeren, wie sich wahrscheinlich jedes junge Mädchen einen Mann in ihren Träumen wünsche. Und gerade seine Tochter sei gewissermaßen romantisch veranlagt und leicht von Vorstellungen verzaubert, die mit der Wirklichkeit durchaus nicht immer in Einklang stünden. Für Stunden manchmal nur, manchmal allerdings für längere Zeit. Aber sie besäße doch genug Verstand, um sich eines Tages von Illusionen zu befreien.
    So sprach Herr Keyser, mit gewählten Worten, gewissermaßen jovial, in leicht vorgebeugter Haltung und zuweilen die Handflächen reibend, wie es seine Gewohnheit war, wenn er in einer Aufsichtsratssitzung den Vertretern der Aktionäre die fünf Prozent Dividende schmackhaft zu machen versuchte, die das Unternehmen leider auch in diesem Jahr nur auswerfen konnte. Michael schaute auf ihn herab und hörte schweigend zu. Aber je weiter Herr Keyser kam, um so tiefer neigte Michael den Kopf, bis er zuletzt wirklich wie ein Keiler aussah, der hinter einem Busch aufs Losbrechen wartet. Herrn Keyser wurde es bänglich zumute. Er blickte sich nervös um, einem Jäger gleich, der mit der letzten Patrone im Lauf vorsichtshalber schon nach einem Baum Umschau hält, um sich notfalls in die Äste zu retten. Aber einmal mußte es wohl freiweg ausgesprochen werden, was er diesem jungen Mann zu sagen hatte — auf Biegen oder Brechen.
    »Ich weiß nicht, Herr Prack, wie weit Sie daran — ohne es zu wollen und ohne es zu ahnen, selbstverständlich! — Anteil haben, daß meine Tochter den Aufenthalt auf dieser Insel über Gebühr ausdehnen will und dabei völlig meine äußerst unangenehme Lage übersieht. Ich weiß nur, daß weder auf Ihrer Seite noch auf seiten meiner Tochter eine ernsthafte Neigung im Spiele ist...«
    »So — das wissen Sie also?«
    »... und ich möchte Sie sehr bitten, verehrter Herr Prack, dieses kleine Abenteuer als das aufzufassen, was es in Wahrheit ist — und es nach Möglichkeit baldigst abzubrechen, ehe sich daraus Verwicklungen ergeben, die nicht in meinem — und gewiß . auch nicht in Ihrem Sinne liegen.«
    Wenn Herr Keyser diese wohlgesetzte Rede gestern gehalten hätte, wenn er gestern abend noch eine Gelegenheit gefunden hätte, Michael zu stellen und mit ihm unter vier Augen zu re- ¿ den, nun, Michael hätte ihn vielleicht ein bißchen geärgert, ein: wenig angeödet, und damit wäre die Sache zur allseitigen Zufriedenheit zu Ende gegangen, und vielleicht hätte sich alles sogar | in Wohlgefallen aufgelöst. Aber daß er damit in einem Moment anrückte, in dem Michael aufgeladen war wie eine Gewitterwolke und nach einem Blitzableiter und Prügelknaben geradezu 1 schrie, das war Herrn Keysers Verhängnis.
    »Mit einem Wort«, sagte Michael und sah den kleinen Herrn Keyser tückisch aus geschlitzten Augenlidern an, »Sie haben das Gefühl, daß ich nicht in Ihre feine Familie hineinpasse, wie!«
    »Aber, aber!« stotterte Herr Keyser und hob abwehrend die Hände empor. »Wie kommen Sie denn darauf, verehrter Herr Prack? Was haben Sie aus meinen Worten herausgehört? Nichts lag mir ferner, als Sie beleidigen zu wollen! Ich hoffe im Gegenteil, ganz in Ihrem Sinne gesprochen zu haben, und verfolge dabei nichts als die Absicht, Dinge klarzustellen, von denen ich annehme, daß sie

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