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Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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seiner Wohnung gefunden worden waren - und den libanesischen Pass, mit dem er gereist war, als man ihn entführt hatte.
    Dann erklärten sie ihm ihr Problem. Umständlich. Und auf eine Art, die nichts Gutes zu verheißen schien. So hatte er sie bisher noch nie erlebt. Nicht drohend, aber warnend. Auf Ersuchen der Israelis hätten die westdeutschen Behörden seine Münchener Wohnung durchsucht, sagten sie. Dabei seien ihnen dieses Notizbuch, die Pässe und eine Reihe anderer Dinge in die Hände gefallen, die Aufschluss darüber gäben, wo er sich im Lauf der letzten Monate aufgehalten hätte. Dem wollten die Israelis jetzt ›mit allem Nachdruck‹ auf den Grund gehen. Bei ihren Vorhaltungen dem Kommandanten gegenüber hätten sie, die Schweizer, darauf hingewiesen, dass das weder legal noch notwendig sei. Solle doch das Rote Kreuz dem Gefangenen die Dokumente vorlegen, hatten die Israelis vorgeschlagen, und sich erklären lassen, was die Eintragungen zu bedeuten hätten. Solle das Rote Kreuz ihn doch in geziemender Form auffordern, zunächst einmal eine Erklärung abzugeben, statt ihm eine solche mit Gewalt abzupressen -wenn der Kommandant wünsche, auch eine vom Gefangenen handschriftlich verfasste, wo er sich in den letzten sechs Monaten überall aufgehalten habe, mit Datums- und Ortsangabe, wen er getroffen und bei wem er gewohnt und mit welchen Papieren er gereist sei. Wo die militärische Ehre Schweigen erfordere, sagten sie, möge der Gefangene das an den betreffenden Stellen ehrlich vermerken. Wo das jedoch nicht der Fall sei - nun, zumindest sei damit Zeit gewonnen, während sie weiterhin Protest einlegten.
    An dieser Stelle nun wagten sie es, Yanuka - oder Salim, wie sie ihn jetzt nannten - von sich aus, sozusagen privat, einen guten Rat zu geben. Vor allem, seien Sie genau, beschworen sie ihn, als sie einen Klapptisch für ihn aufstellten, ihm eine Wolldecke gaben und die Hände von den Fesseln befreiten. Verraten Sie ihnen nichts, was Sie geheim halten möchten, aber achten Sie darauf, dass das, was Sie ihnen sagen, absolut der Wahrheit entspricht. Vergessen Sie nicht, dass wir auf unseren guten Ruf bedacht sein müssen. Denken Sie an die, die nach Ihnen kommen und denen ein gleiches Schicksal blühen kann. Tun Sie Ihr Bestes - nicht um unseretwillen, sondern um ihretwillen. Die Art, wie sie ihm das sagten, schien anzudeuten, dass Yanuka bereits auf bestem Wege war, ein Märtyrer zu werden. Wieso eigentlich, schien keine Rolle zu spielen; die einzige Wahrheit, die er bis dahin kannte, war der Schrecken in der eigenen Seele. Es war knapp, aber das hatten sie ja von Anfang an gewusst. Und es kam auch der Augenblick - ein ziemlich langer sogar -, da sie fürchteten, er sei für sie verloren. Das war der Augenblick, als Yanuka ihnen beiden nacheinander tief und durchdringend in die Augen sah und die Schleier der Verblendung abzuschütteln und seine Peiniger klar ins Auge zu fassen schien. Doch Klarheit war niemals die Grundlage ihrer Beziehung gewesen und war es auch jetzt nicht. Als Yanuka den hingereichten Federhalter ergriff, lasen sie in seinen Augen die flehentliche Bitte, sie möchten ihm doch auch weiterhin etwas vormachen.
    An dem Tag, der auf diese Dramen folgte - um die Mittagszeit nach normalen Maßstäben -, kam Kurtz dann direkt aus Athen, um Schwilis Kunstwerke zu begutachten und um seine Zustimmung zu geben, dass Tagebuch, Pässe und Quittungen - unter Anbringung gewisser sinnreicher Verschönerungen -wieder dorthin zurückgelegt würden, wohin sie von Rechts wegen gehörten. Kurtz persönlich übernahm auch die Aufgabe, bis zum Anfang zurückzugehen. Doch zunächst einmal hatte er es sich in der unteren Wohnung bequem gemacht und rief alle bis auf die Wächter nacheinander zu sich, um sich von ihnen über die bisher gemachten Fortschritte Bericht erstatten zu lassen, jeder auf seine Weise und so rasch oder so gemächlich, wie er wollte. In weißen Baumwollhandschuhen und trotz der Befragung Charlies, die die ganze Nacht gedauert hatte, offensichtlich nicht müde, betrachtete er die Ausstellungsstücke, hörte zustimmend Bandaufnahmen von entscheidenden Augenblicken ab und beobachtete voller Bewunderung, wie Miss Bachs Tischcomputer Yanukas Leben in der jüngsten Vergangenheit Tag für Tag in grünen Buchstaben auf dem Bildschirm erscheinen ließ: Daten, Flugnummern, Ankunftszeiten, Hotels. Dann sah er wieder hin, als der Bildschirm frei wurde und Miss Bach das fiktive Geschehen über das

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