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Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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ungefährlich für die Sache der Palästinenser betrachtete.
    Voll unerschütterlichen Mitgefühls hörten sie sich seine Geschichten über zionistische Greueltaten an und seine Erinnerungen an die Zeit, als er für die siegesgewohnte Fußballmannschaft seines Flüchtlingslagers in Sidon im Tor gestanden hatte. »Erzählen Sie von Ihrem besten Spiel«, drängten sie ihn. »Erzählen Sie von dem entscheidendsten Ball, den Sie je gehalten haben. Erzählen Sie uns von dem Pokal, den Sie gewonnen haben, und wer dabei war, als der große Abu Ammar persönlich ihn Ihnen in die Hand drückte!« Stockend und schüchtern tat Yanuka ihnen den Gefallen. Unten lief das Tonbandgerät, und Miss Bach speicherte ein Goldkorn nach dem anderen in ihrem Computer und unterbrach diese Arbeit nur, um Samuel dem Pianisten Zwischenberichte für Jerusalem und sein Gegenstück, David, in Athen zur Weiterleitung herüberzureichen. Leon schwebte derweil in seinem ganz privaten Himmel. Die Augen halb geschlossen, tauchte er in Yanukas eigenwilliges Englisch ein: in die Art, wie er sich impulsiv verhaspelte; wie er das, was er sagte, immer wieder poetisch ausschmückte; in seinen Tonfall und seinen Wortschatz, wie er unversehens das Thema wechselte, manchmal praktisch mitten im Satz. Ihm gegenüber auf der anderen Seite des Ganges saß Schwili und schrieb und murmelte vor sich hin und frohlockte. Manchmal jedoch, bemerkte Leon, hörte er unvermittelt auf und versank in Verzweiflung. Wenige Sekunden darauf sah Leon ihn dann auf leisen Füßen durchs Zimmer gehen, dessen Ausmaße mit dem Mitgefühl des ehemaligen Gefängnisinsassen für den glücklosen jungen Mann oben abschreiten. Um über das Tagebuch reden zu können, hatten sie sich einen anderen, allerdings auch wesentlich gewagteren Bluff ausgedacht. Zunächst einmal hatten sie diese Frage bis zum wirklichen dritten Tag hinausgeschoben; bis dahin hatten sie ihn allein durch ihre Methode der harmlosen Unterhaltung so bloßgelegt, wie es nur ging. Und selbst danach holten sie noch eigens Kurtz’ Einverständnis ein, ehe sie loslegten, so nervös machte es sie, die Eierschale von Yanukas Vertrauen zu ihnen ausgerechnet in einem Augenblick anzuknacken, da ihnen keine Zeit blieb, irgendwelche Methoden anzuwenden. Die Gefängniswärter hatten das Tagebuch einen Tag nach Yanukas Entführung gefunden. Zu dritt waren sie in seine Wohnung gegangen und hatten dabei kanarienvogelgelbe Overalls angehabt mit Plaketten, die sie als Mitarbeiter einer Münchener Reinigungsfirma auswiesen. Ein Hausschlüssel sowie ein fast echter Brief mit Instruktionen von Yanukas Hauswirt gab ihnen alle Autorität, die sie brauchten. Sie holten Staubsauger, Schrubber und eine Trittleiter aus ihrem kanarienvogelgelben Kastenwagen. Dann schlössen sie die Tür, zogen die Vorhänge zu und fielen acht volle Stunden über die Wohnung her wie die Heuschrecken, bis nichts mehr übrig zu sein schien, das sie nicht genauestens untersucht, fotografiert und an den richtigen Platz zurückgestellt, nachdem sie es aus einem Staubsaugerbeutel wieder eingestäubt hatten. Und zu ihren Funden, hinter einem Bücherregal an einer Stelle eingezwängt, die vom Telefon aus bequem zu erreichen war, gehörte dieser in braunes Leder gebundene kleine Taschenkalender, ein Werbegeschenk der Middle East Airlines, an das Yanuka auf irgendeine Weise gekommen sein musste. Sie wussten, dass er ein Tagebuch führte, und sie hatten es unter seinen Habseligkeiten vermisst, als sie ihn geschnappt hatten. Jetzt hatten sie es zu ihrer Freude gefunden. Manche Eintragungen waren auf Arabisch, einige auf Französisch und noch andere auf Englisch gemacht worden. Einige waren überhaupt nicht zu entziffern, in keiner Sprache, andere in einem nicht allzu privaten Wort-Code abgefasst. Die meisten Notizen bezogen sich auf bevorstehende Verabredungen, doch ein paar waren auch erst nachträglich hinzugefügt worden: »J. getroffen, P. anrufen.« Neben dem Tagebuch fiel ihnen noch eine andere Beute in die Hände, nach der sie Ausschau gehalten hatten: ein dicker fester Umschlag mit einem Stapel Quittungen, die Yanuka für den Tag aufhob, wenn er über seine Unternehmungen würde abrechnen müssen. Den Anweisungen entsprechend ließ das Team auch diesen Umschlag mitgehen.
    Doch wie die entscheidenden Einträge im Notizbuch deuten? Wie sie ohne Yanukas Hilfe entziffern? Wie also sich Yanukas Mithilfe versichern?
    Sie überlegten, ob sie nicht die Dosis der verabreichten

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