Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
Vom Netzwerk:
Vier-TageWunder. Sie liebte ihre Schüchternheit, ihre Unberührtheit, ihre Disziplin und ihre Autorität ihr gegenüber. Sie liebte sie als Aufpasser und als Freunde. Doch trotz all ihrer Liebe gaben sie ihr nie ihren Pass zurück, und wenn sie ihren Maschinenpistolen zu nahe kam, zogen sie sich mit gefährlichen und unnachgiebigen Blicken von ihr zurück.
    »Komm, bitte«, sagte Danny und klopfte leise an ihre Tür, um sie zu wecken. »Unser Captain ist bereit.« Es war drei Uhr und noch dunkel.
    Später erinnerte sie sich an ungefähr zwanzig Autos, aber es hätten genauso gut fünf gewesen sein können, denn alles ging jetzt sehr schnell, ein Hin und Her von immer beunruhigenderen Fahrten quer durch die Stadt, in sandfarbenen Limousinen mit Antennen vorn und hinten und Leibwächtern, die kein Wort sprachen. Das erste Auto wartete unten vorm Haus, allerdings auf der Hofseite, wo sie bisher noch nicht gewesen war. Erst als sie den Hof verlassen hatten und eine Straße hinunterrasten, wurde ihr klar, dass sie die Jungen zurückgelassen hatte. Am Ende der Straße schien der Fahrer etwas zu sehen, was ihm nicht gefiel, denn er riss den Wagen mit quietschenden Reifen herum, so dass er fast umgekippt wäre, und als sie die Straße wieder zurückrasten, hörte sie Geratter und ganz in ihrer Nähe einen Ruf und spürte, wie eine schwere Hand ihr den Kopf nach unten drückte; offenbar war das Gewehrfeuer für sie bestimmt gewesen.
    Sie jagten bei Rot über eine Kreuzung, und um Haaresbreite hätten sie einen Laster gerammt; sie fuhren nach rechts auf einen Bürgersteig hinauf und dann in weitem Bogen nach links auf einen abfallenden Parkplatz, der über einem verlassenen Strand lag. Sie sah Josephs Halbmond, der über dem Meer hing, wieder, und einen Augenblick lang war hi r, als sei sie wieder auf der Fahrt nach Delphi. Sie hielten neben einem großen Fiat und warfen sie förmlich hinein; wieder war sie unterwegs, Besitz von zwei neuen Leibwächtern, und fuhr -dicht gefolgt von zwei Scheinwerfern - eine Autostraße mit vielen Schlaglöchern hinunter; links und rechts ragten zerschossene Häuser auf. Die Berge direkt vor ihr waren schwarz, die zu ihrer Linken hingegen grau, denn ein Schimmer aus dem Tal fiel auf ihre Flanken, und jenseits des Tals war wieder das Meer. Die Tachonadel stieg auf 140, doch dann war plötzlich überhaupt nichts mehr zu sehen, weil der Fahrer die Scheinwerfer ausgeschaltet hatte und der sie verfolgende Wagen ebenfalls.
    Rechts von ihnen erstreckte sich eine Zeile Palmen, links der Mittelstreifen, der die beiden Fahrspuren trennte: eine knapp zwei Meter breite erhöhte Trasse, manchmal kiesbedeckt, manchmal bewachsen. Mit einem Mordsruck fuhren sie hinauf und landeten mit einem zweiten auf der Gegenfahrbahn. Entgegenkommende Fahrzeuge hupten sie an, und Charlie schrie »Himmel!«, doch der Fahrer war für Blasphemien nicht empfänglich. Er blendete die Scheinwerfer voll auf und fuhr direkt auf den entgegenkommenden Verkehr zu, ehe er unter einer kleinen Brücke den Wagen wieder nach links herumriss. Unvermittelt kamen sie schlitternd auf einem leeren Feldweg zum Stehen, wo sie in ein drittes Auto umstieg, diesmal einen fensterlosen Landrover. Es regnete. Das fiel ihr erst jetzt auf, denn als sie sie hinten im Landrover verstauten, wurde sie von einem plötzlichen Guss bis auf die Haut durchnässt, und sie sah einen weißen Blitz in den Bergen einschlagen. Aber vielleicht war es auch eine Granate.
    Steil ging es eine gewundene Straße hinauf. Hinten aus dem Landrover sah sie, wie das Tal unter ihnen zurückblieb; durch die Windschutzscheibe und zwischen den Köpfen des Leibwächters und des Fahrers hindurch beobachtete sie, wie der Regen auf dem Asphalt in die Höhe sprang wie Schwärme tanzender Elritzen. Ein Wagen fuhr vor ihnen her, und an der Art, wie sie ihm folgten, erkannte Charlie, dass es einer der Ihren war; ein Auto folgte ihnen, doch weil sie sich überhaupt nicht darum kümmerten, war es ebenfalls eines der Ihren. Sie stiegen noch einmal um und möglicherweise noch einmal; sie fuhren in einen Gebäudekomplex hinein, der eine verlassene Schule zu sein schien, doch diesmal stellte der Fahrer den Motor ab, während er und der Leibwächter mit den Maschinenpistolen am Fenster saßen und abwarteten, wer sonst noch den Hügel heraufkam. Es gab Kontrollpunkte an der Straße, vor denen sie hielten, und andere, durch die sie einfach hindurch fuhren und die unbeteiligten Wachen kaum mit einem

Weitere Kostenlose Bücher