Die Lichtermagd
hatte das Waffenverbot für Juden sie nicht davon abgehalten, den Umgang mit ihnen zu lernen. Sie schossen sogar mit Armbrüsten aus den oberen Stockwerken und mähten so manchen Angreifer nieder, bevor er auch nur zum Schlag gekommen war.
Als das Kriegsvolk nahte, wendete sich das Blatt. Mit brutaler Präzision schlugen die Söldner die ersten Männer nieder, bevor diese wussten, wie ihnen geschah. Dann hackten, stachen und schlugen die Kämpfenden aufeinander ein. Neben ihm reckte Romer den Kopf aus ihrem Versteck, um etwas zu erkennen.
»Was tun sie?«, fragte Caspar.
»Sie treiben die Juden zurück. Die Bastarde verkriechen sich in ihre Schul«, stellte Romer grimmig fest. »Herrgott, ohne das Kriegsvolk wäre es blutig geworden.«
»Es ist blutig!«, rief Caspar entsetzt aus. Die Verwundeten und Toten auf der Straße legten ein furchtbares Zeugnis davon ab.
»Ich meine für uns«, korrigierte Romer. »Schau, die fliehen wirklich alle in die Judenschule!«
»Es sind noch so viele«, murmelte Caspar ganz erschüttert. »Ich habe Leute reden gehört, dass ganz viele geflohen sein sollen. Warum sind diese nicht auch gegangen?«
»Sie sind halt verstockt, die Juden.« Romer schien das Antwort genug.
Caspar fiel auf, dass es sich bei den Kämpfern nicht nur um das Gesinde und die Handwerker handelte. Nein, reich gekleidete und gerüstete Männer hielten dort vor der Judenschule das Schwert in der Hand. Arm und Reich standen Seite an Seite. Caspar konnte nicht umhin, den Mut der Leute zu bewundern, die dort ihren Glauben und ihr Leben verteidigten.
Er beobachtete, wie die Kämpfe um das gemauerte Gebäude und seine Anbauten hin und her wogten. Die Angreifer versuchten in dem Getümmel hier und da durchzubrechen und in das Gebäude zu gelangen. Die Verteidiger fielen einer nach dem anderen und zogen sich schließlich hinter die Tore der Synagoge zurück.Vereinzelt tobten noch brutale Zweikämpfe, an anderer Stelle jagten Grüppchen hinter Fliehenden her. Dann krachten die Türen der Judenschule hohl ins Schloss. Die Söldner fluchten. Sie versuchten, die Tore mit Äxten aufzuhebeln, sie einzuschlagen und schließlich mit einem eilig herbeigebrachten dicken Balken aufzusprengen. Eine Ewigkeit schien zu vergehen, in der sie sich an den Außenwänden hochhievten, um zu den schmalen Hochfenstern zu gelangen, doch von dort wurden sie bald mit einem Hagel von Wurfgeschossen vertrieben.
Schließlich wurde es den Söldnern zu bunt. Sie rotteten sich zu einer Gruppe zusammen, um zu beraten, was zu tun sei.
Dann nahmen sie die Balken und verkeilten das Tor damit. Laternen wurden gebracht, und Fackeln.
»Was haben sie nun vor?«, fragte Caspar besorgt.
Romer aber deutete von der Szene weg auf eine Hauswand. Inmitten von Blut, Gekröse und Leichen bewegte sich etwas. Caspar sah genauer hin – ein Jude lag dort, der sich an einer Hauswand auf die Füße schob. Dort blieb er stehen, offenbar verwundet, bevor er dann schwankend einen Schritt vor den anderen setzte.
»Nathan!«, stieß der Schneider neben ihm aus. »Das ist Nathan. Und er versucht, sich davonzumachen!« Der einäugige Mann sprang aus seinem Versteck und hetzte hinüber. Ein Schlag traf den Verwundeten in den Rücken und schleuderte ihn vorwärts auf den Boden. »Bleib liegen, Abschaum!«, keuchte Romer und trat noch einmal nach. »Jetzt bist du da, wo du hingehörst – in der Gosse!«
Nathan krümmte sich. »Da geherste selbst hin, Romer«, presste der Mann heraus und funkelte ihn unter den buschigen Brauen an. »De bist ein Bestie, und Bestien gehern geschechtet!«
Caspar zuckte zusammen, als Romer noch einmal feste zutrat und den alten Mann in den Bauch traf. An seinem Stiefel klebte dunkles Blut. »Hör auf zu wimmern, Schmeißfliege!«, knurrte der Schneider. »Ich werde dir erst die dreisten Augen ausstechen und dann jeden Finger einzeln abschneiden. Damit es richtig lange dauert, Jude!« Und damit griff Romer nach der Hand des Mannes.
»Romer!«, unterbrach ihn der erbleichte Krämer. »Siehst du das?« Er deutete nach vorne, auf die Judenschule. Die Söldner hatten dort inzwischen schnelle Arbeit geleistet. Die Tür war zusätzlich mit einem einachsigen Karren verbarrikadiert und die schmalen Butzenglasscheiben zertrümmert. Ein paar Männer
hatten von anderen Gebäuden brennende Scheite geholt und warfen die nun in die oberen Stockwerke, auf das Dach und durch die Fenster ins Innere.Tatsächlich brannte das Haus an einer Ecke schon so hell,
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