Die Lichtermagd
geht – ja.« Der Rittersmann schwieg verbissen. »Ulman?«
Der Mann furchte die Stirn. Sein Blick glitt über die Nonnen und Mägde im Hintergrund. Dann senkte er das Schwert und nickte. »Und wir haben doch gewonnen«, sprach er leise. »Nürnberg ist unser.« Er trat beiseite und machte den Weg frei.
»Du hast nicht gewonnen, Ulman. Du hast nur bekommen, was du wolltest. Jetzt lerne, damit zu leben«, erwiderte Luzinde traurig. »Du hast dich entschieden, an einem dunklen Ort zu leben. Aber das ist kein schöner Ort, man ist dort ganz allein. Glaub mir, ich weiß das.«
Sie wandte sich ab und ergriff Johannas kleine Hand.Wenzel steckte das Schwert nicht weg, bis sie an Ulman vorbei und aus der Klosterpforte hinausgetreten waren. Die Mutter Oberin segnete sie aus der Ferne. Dann verließen die drei die Kirche Sankt Klara, das Kloster, und schließlich Nürnberg. Eine winterlich helle Sonne leitete sie auf ihrem Weg.
EPILOG
Das Feuer in Nürnberg wütete nicht lange und vernichtete nur einige wenige Judenhäuser und die Synagoge. Bis in die späte Nacht hinein wurden Menschen auf das Feld vor der Stadt geschleift und auf die Scheiterhaufen gebracht. Später bezeichnete man es als Judenbühel. Ysaac von Schesslitz war einer von jenen, die verbrannten.
Der Stadtrat von Nürnberg ließ dem König, dem Burggrafen und dem Bischof sein tiefes Bedauern über die Gewalttaten mitteilen. Die schon lange schwelende Feindseligkeit der Menschen habe sich plötzlich Bahn gebrochen. Von den eineinhalb Tausend Juden in der Stadt waren viele geflohen. Manche hatten sich freigekauft. Rund ein Drittel waren erschlagen oder auf die Scheiterhaufen gebracht worden.
Um der Toten zu gedenken, hatte König Karl befohlen, an der Stelle der alten Judenschule eine Kirche zu errichten und sie der Heiligen Jungfrau zu widmen. Der Bau der Frauenkirche begann.
Dort, wo die Juden einst gewohnt hatten, wurde ein großer Marktplatz angelegt. Sämtliche Handelsfamilien weltweit wurden eingeladen, in die Stadt zu kommen und dort ihre Waren umzuschlagen. Man nannte Nürnberg bereits das Venedig des Nordens. Plötzlich saß die Stadt wie die Spinne in einem Netz von Handelswegen, die sich über ganz Europa erstreckten. Es ging voran, in die Zukunft.
Für die Flüchtlinge aber lag all das noch in der Zukunft. Der Tag des heiligen Nikolaus kam und ging, während sie mit dem wenigen Gepäck, das sie am Leibe trugen, fortgingen – nach
Regensburg manche. Andere wollten weiter in Richtung Osten, nach Prag. Dort hielt König Karl weiterhin seine Hand über die Juden.
Einige aber wollten so bald wie möglich zurück nach Nürnberg. Lemlein, ein Sohn Nathans, zuckte mit den Schultern. »’s wird beser werden, nun, da wer nit mer so fil Jiden da sind.« Luzinde bezweifelte das. Sie selbst war den Freunden mit Johanna und Wenzel schnell bis Regensburg gefolgt. Sie hatten nicht darauf vertraut, dass Ulman sich an sein Wort hielt, und waren auf den Nebenstraßen gereist, um möglichen Häschern zu entgehen.
In Regensburg erreichte sie schon nach wenigen Tagen die Nachricht, dass den Juden in Nürnberg ein neues Viertel zugewiesen worden war: draußen vor den Toren der Stadt, dort, wo ihr Friedhof lag.
Eine Woche später kam der Tag der heiligen Luzia. Dies war auch der Tag, an dem Wenzel, Johanna und Luzinde Regensburg verließen und Mose, Rebekka, Bel und Jakob sowie die liebe Rosa und all die anderen zurücklassen mussten. Luzinde würde die Freunde vermissen. Doch genau so sicher war sie sich, dass sie nicht bleiben und für sie ein fremdes Leben leben konnte. Sie würde Johanna ein Zuhause schaffen. Sie wusste noch nicht, wo und wie sie das schaffen sollte, doch sie war voll Zuversicht. Und obwohl die Freunde nun selbst kaum noch etwas besaßen, bestanden sie darauf, Luzinde einen Teil davon abzutreten, damit sie wie sie ebenfalls ein neues Leben beginnen konnte. »Mein Foter hett’s so gewolt«, erwiderte Mose mit einem Schmunzeln. Der Abschied war tränenreich.
Als Luzinde mit Wenzel und Johanna wieder die Straße unter den Füßen spürte, da sah sie nur voran. Sie zogen nach Osten, denn der Ritter wollte die Burg seines Vaters aufsuchen, mit dem er seit Jahren im Argen stand. Der hatte ihn als Unterpfand
weggegeben, als sei er ein Wertstück, das man ver äußern konnte. »Inzwischen kann ich die Gründe dafür sogar nachvollziehen«, murmelte er irgendwann. »Karl versteht nichts anderes. Er hätte ein Kaufmann werden sollen, so wie
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