Die Lichtfaenger
konnte. Zauderei oder falsche Rücksichtnahme konnte man ihm jedenfalls nicht nachsagen.
Bodeghemius war ein aufmerksamer Zuhörer, besaß eine manchmal beinahe erschreckend schnelle Auffassungsgabe, die niemand in dem kleinen, unscheinbaren Mann vermutet hätte, und beherrschte wie nebenbei sieben Sprachen. Binsfeld war es mehr als einmal vorgekommen, als könne Bodeghemius in den Köpfen anderer Menschen spazieren gehen und deren Gedanken bereits lesen, noch ehe sie überhaupt formuliert waren. Es war eine Gabe, um die er ihn heimlich beneidete, die Bodeghemius aber nie offen zu seinem Vorteil nutzte.
»Jean Bodin…«, sagte Binsfeld, »ich war in Gedanken bei Bodin. Ich weiß nicht, was ich von ihm halten soll. Er ist unbestritten ein bedeutender Gelehrter, andererseits habe ich so meine Schwierigkeiten.«
Bodeghemius wartete, bis sich die Stirn des Weihbischofs in Falten legte und er ihn ansah. »Ihr habt Schwierigkeiten mit seinen Theorien, was den Staat, genauer gesagt die Kirche betrifft, nehme ich an, weil er Religionsfreiheit fordert!«
Binsfeld nickte leicht und fuhr fort: »Ja, er sieht den Staat als Garanten für die allgemeine Ordnung, fordert aber gleichzeitig, der Staat müsse offen sein für verschiedene
Glaubensrichtungen. Er gesteht also de facto auch den Lutheranern und den Calvinisten ihre Rechtmäßigkeit zu. Ja, er geht so weit zu sagen, alle Religionen seien gleich, solange sie richtig ausgeübt würden. Das widerspricht aber unserer Lehre!«
»Ich denke, wir müssen diese Haltung vor dem persönlichen Hintergrund Bodins sehen. Er ist infolge der Religionskriege zwischen die Fronten der calvinistischen Hugenotten und der Katholiken geraten. Man hat ihn für einen Hugenotten gehalten und er entkam nur knapp und schwer verletzt einem Mordanschlag. Das ist sicher mit einer der Gründe, weshalb er politische und religiöse Toleranz fordert!«
»Nein – nicht…«
»Ich weiß. Seine Toleranz hat ihre Grenzen dort, wo es um Hexerei und Zauberei geht! Da ist er eisenhart!«
Binsfeld nickte.
»Ja, da denkt er in der geradlinigen Tradition des
›Hexenhammers‹. Er plädiert für ein rücksichtsloses Vorgehen gegen dieses Ungeziefer und für eine härtere Bestrafung als die eines Mörders! Sein Buch ›Demonomanie de Sorciers‹ wird in hohen Auflagen gedruckt und ist bereits in vier Sprachen übersetzt. Er beklagt die Laschheit der Richter, die vielfach auf eine uneinheitliche Rechtsprechung zurückzuführen sei, aber ebenso die Zweifel mancher Juristen an der Existenz von Hexern. Wie schon die Autoren des ›Hexenhammers‹ kommt er zu dem Schluss, es handle sich um ein außerordentliches Verbrechen, wodurch in den Prozessen der juristische Beistand entfallen könne, ein Zeuge genüge und selbst bloße Gerüchte für eine Anklage ausreichend seien. Auch dürfe der Richter lügen, wenn es für ein Geständnis Erfolg versprechend sei!«
»Was macht denn Euer eigenes Buch, kommt Ihr voran?«
Der Weihbischof schüttelte den Kopf. »Leider nein. Ich komme nur nebenbei dazu und muss mir die Zeit dafür stehlen.
Aber was noch schlimmer ist, sind die Gegner der
Hexenprozesse, und einer der hartnäckigsten ist dieser Johannes Weyer, der eigentlich selbst angeklagt gehört. Del Rio berichtet, von den Teilnehmern eines Hexensabbats habe er erfahren, dass der Teufel gesagt habe: Seid getrost, denn es werden nicht mehr viele Jahre vergehen und ihr werdet über alle Christen triumphieren, weil unsere Sache durch die Bemühungen Weyers und seiner Anhänger trefflich steht, indem sie behaupten, das alles sei nichts als törichte Einbildung. Hat er nicht Recht? Benutzt ihn nicht der Höllenfürst, um Zweifel zu säen, woraus dann Zwietracht entsteht? Er ist Medicus – man munkelt, sogar ohne Doktortitel
– und hat weder von der Juristerei noch von Theologie eine Ahnung, bläst sich aber auf wie ein Frosch und quakt auch so und es gibt genügend Leute, die das für Gesang halten und ihm Beifall spenden. Bodin vertritt die Meinung, Gott habe ihm den Verstand geraubt und sein Werk sei nach Art und Stil des Teufels selbst geschrieben! Aber durch die Rückendeckung des Klever Herzogs nimmt er auf die Rechtsprechung Einfluss.
So hat er es tatsächlich geschafft, dass einige der Hexerei verdächtige Frauen freigelassen wurden und an deren Stelle diejenigen ins Gefängnis geworfen wurden, die sie angezeigt hatten!«
Die beiden Kerzen waren beinahe vollständig herabgebrannt und Binsfeld ersetzte sie
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