Die Hurenkönigin von Alezcana - ROTE LATERNE - Band 3 (German Edition)
Alezcana, das winzige Nest an der mexikanischen Pazifikküste, war alles andere als ein mondäner Badeort. Die Häuser des Dorfes standen, eines baufälliger und verkommener als das andere, an einem Hügel, der nur von ein paar mageren, zerzausten Pinien bewachsen war. Über holpriges, aus der Kolonialzeit stammendes Pflaster gelangte der seltene Gast zur Plaza.
Dort stand die Kirche, ein von außen imposant wirkendes Bauwerk, welches die Ärmlichkeit und Dürftigkeit in seinem Inneren erschreckend verdeutlichte.
Zur Nachtzeit, wenn die Hügel der Sierra Aleguida bläulich im Mondlicht schimmerten, hörte man aus der Taverne Musik. Wilde Gitarrenklänge mischten sich mit schrillem Frauengelächter und mit gutturalen Männerstimmen. Der Dorfpfarrer schloss ärgerlich die Fensterläden, die er bei Einbruch der Dämmerung geöffnet hatte. Dabei schüttelte er missbilligend den Kopf, denn die Taverne des Senor Domenico lag genau gegenüber der Kirche.
Jedes Kind wusste, was nachts in dieser Taverne geschah. Die Arbeiter, die Braceros, von den Baumwollplantagen kamen abends und vergnügten sich hier je nach dem Inhalt des ledernen Beutels, den sie unter dem fleckigen Hemd auf der behaarten Brust trugen. Sie vergnügten sich mit den Putas, wie man hier die Dirnen nannte, die bei Einbruch der Dunkelheit aus düsteren Winkeln, aus verfallenen Häusern oder aus den Nachbarortschaften kamen.
Franco Domenico war ein kleiner hagerer Kerl. So zäh und ledrig wie seine Haut war auch er selbst. In seinem sonnenverbrannten Gesicht funkelten listige pechschwarze Augen. Wenn Franco lachte, sah man seine langen, gelben Zähne. Aber den Mädchen war das egal. Franco war hier der Chef.
Ein falsches Wort, und man flog aus seiner Kneipe in die brühwarme, Grillen durchzirpte Nacht hinaus. Mit Don Franco, wie sich der Tavernenbesitzer auch gern nennen ließ, musste man sich gut stellen, wie man sich überhaupt hier an alle halten musste, die etwas besaßen oder etwas zu sagen hatten. Sich zu ducken war in Alezcana ein Lebensprinzip, ein ungeschriebenes Gesetz.
Ein paar schmutzige Braceros schmusten an einem dunkelhaarigen Mädchen herum, und drüben in der Ecke vor dem offenen Kamin, über dessen Feuer ein paar fette Würste brutzelten, stritten sich gleich vier Landarbeiter um eine gefärbte Blondine. Die Frau war nicht mehr jung. Ihre Augenringe hatte sie mit Schminke übertüncht, grellrot leuchtete ihr Mund aus dem verlebten Gesicht.
"Verschwinde, Pepito!", schrie ein alter, fast zahnloser Baumwollpflücker einen jungen, baumlangen Kerl an."Ich will auch mal ran! Du hast noch lange genug Zeit!"
"Halt die Schnauze, Gonzales!", knurrte der lange Kerl und schob dabei seine Hände unter den weiten, bunten Rock der ältlichen Dirne, die alles unbeteiligt mit sich geschehen ließ. „Womit willst du denn ran, du Krüppel?"
Die übrigen Braceros brachen in brüllendes Gelächter aus und einige ließen die braungebrannten Hände auf die Oberschenkel klatschen. Unterdessen krachte die Faust des langen Baumwollpflückers an das Kinn eines anderen Mannes, der sich inzwischen mit den Brüsten der blonden Dirne beschäftigt hatte.
"Pfoten weg von der Hure!", zischte der Lange. "Für meine Pesos sind das auch meine Titten, du Schmarotzer!"
"Lass ihn, Pepe", sagte die Dirne. "Er beißt mir schon nichts ab".
"Genug!" bestimmte der Große. Dann riss er die Blonde an sich. "Genug gespielt! Jetzt zeig ich es dir! Wohin?"
Sie streifte den Rock herunter und wies mit einer Kopfbewegung auf eine Tür, die mit einem Perlenvorhang verhängt war.
"Nach hinten", sagte sie. "Nimm etwas zu trinken mit! Es wird dir heiß werden.“
"Willst du mir einheizen?", fragte er mit einem breiten Grinsen und packte ihr Gesicht mit einer Hand von unten am Kinn, wobei er mit den Fingern ihre Wangen zusammen quetschte. Sie schlug seine Hand weg und lachte, wobei sie sich einmal um die eigene Achse drehte. Dann sah sie ihn mit glitzernden Augen an.
"Rück erst mal die Kohle raus!", sagte die Blonde verächtlich.
"Ich hab dir gerade ...", stotterte der Mann.
"Das war für das Spiel", sagte sie. "Fürs Bumsen musst du extra zahlen! Na los, mach schon! Es warten noch viele, und die Nacht dauert nur bis zum Morgen."
"Schlampe!" sagte er, und sie Hand hinhielt. Er spuckte hinein. Sie revanchierte sich mit einem der übelsten Ausdrücke, die man im Spanischen kennt. Dann schüttete sie ihm ein Glas Wein ins Gesicht, spuckte ihn an und trat nach ihm, wobei sie
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